Hüter der Menschenrechte unter Verdacht: Korruption im Europarat

21.04.2018 10:25

Kaviar, Teppiche oder Geld: Die Führung Aserbaidschans soll mit
solchen Nettigkeiten Teile des Europarats gefügig gemacht haben. Der
will die Korruption in den eigenen Reihen ausmerzen. Ein brisanter
Bericht könnte nun auch Deutsche in Bedrängnis bringen.

Straßburg (dpa) - Der Europarat in Straßburg verfolgt eigentlich eine
wichtige Mission: Er soll über die Menschenrechte in seinen 47
Mitgliedstaaten wachen - und gegen Korruption kämpfen. Doch
ausgerechnet diese altehrwürdige Institution sieht sich seit einiger
Zeit selbst mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert.
Abgeordnete beklagen wahre Seilschaften aus gekauften Mitgliedern.
Und spätestens seit Berichten großer deutscher Medien dürfte die
Affäre vielen als «Kaviar-Diplomatie» bekannt sein.

Im Zentrum steht die Parlamentarische Versammlung des Europarats.
Einige Mitglieder - darunter eine deutsche CDU-Abgeordnete - sollen
unter anderem Geld oder wertvolle Geschenke aus Aserbaidschan
angenommen haben. Im Gegenzug sollen sie dafür das Land und dessen
autoritäre Regierung in einem günstigen Licht dargestellt haben.

Ein Bericht von unabhängigen Ermittlern soll die Affäre nun
aufklären. Das bislang streng geheim gehaltene Papier soll am
Sonntagabend veröffentlicht werden. Es könnte brisante Vorwürfe
enthalten, auch gegen deutsche Politiker. Seit April vergangenen
Jahres tragen die drei Mitglieder der Untersuchungskommission -
allesamt ehemalige Richter - Informationen zusammen. Von 100 Seiten
reinem Text ist zu hören.

Falls darin Namen genannt werden, könnte es zum Beispiel für den
ehemaligen italienischen Abgeordneten Luca Volontè unangenehm werden.
Er soll Berichten zufolge unter anderem über seine Stiftung mehr als
zwei Millionen Euro aus Aserbaidschan angenommen und im Gegenzug das
Abstimmungsverhalten seiner Kollegen beeinflusst haben. In Italien
läuft gegen ihn nach Angaben der Mailänder Staatsanwaltschaft ein
Verfahren wegen Korruption.

Auch die deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz steht seit
mehreren Medienberichten im Verdacht, zu dem Aserbaidschan-Netzwerk
zu gehören. Über Umwege soll sie Geld aus dem autoritär regierten
Land am Kaspischen Meer erhalten haben.

In ihrer Zeit in Straßburg fiel Strenz immer wieder als
Unterstützerin Aserbaidschans auf. Zum Beispiel bescheinigte sie der
Führung des Landes 2015 bei einer Beobachtermission einen Schritt
nach vorn zu «fairen» Wahlen. Außerdem enthielt sie sich, als 2013
ein kritischer Bericht über politische Gefangene in Aserbaidschan
verabschiedet werden sollte. Mittlerweile sitzt sie nicht mehr in der
Parlamentarischen Versammlung.

Der SPD-Abgeordnete und stellvertretende Leiter der deutschen
Delegation in Straßburg, Frank Schwabe, bezichtigt Strenz offen der
Korruption. Sie habe im Zuge ihrer Wahlbeobachtermission
Interessenskonflikte verheimlicht, schrieb er auf seiner Webseite.
Dass sie nichts davon gewusst habe, dass das von ihr angenommene Geld
aus Aserbaidschan stamme, sei eine Lüge. Er fordert schon länger,
dass die CDU-Fraktion im Bundestag den Druck auf Strenz erhöht, ihr
Mandat abzugeben.

Der neue Vorsitzende der 18-köpfigen deutschen Delegation, der
CDU-Mann Andreas Nick, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er hoffe
auf eine «umfängliche Aufklärung». Er sei zuversichtlich, dass kein
e
aktuellen deutschen Mitglieder in dem Text auftauchten.

Was droht Abgeordneten, falls sie in dem neuen Bericht als korrupt
gebrandmarkt werden? Ihr Mandat verlieren sie nicht unmittelbar.
Allerdings will die politische Führung der Parlamentarischen
Versammlung sie dazu auffordern, es ruhen zu lassen, bis alle
Vorwürfe geklärt sind. Außerdem könnte ein Verfahren bei einem
bestimmten Ausschuss eingeleitet werden, der Sanktionen gegen
Delegierte verhängen kann.