Merkel prüft mit EU-Spitzen Rettungschancen für Iran-Deal

16.05.2018 19:18

In prächtiger Abendsonne und scheinbar ausgelassener Stimmung kommen
die EU-Staats- und Regierungschefs in Sofia zum Abendessen zusammen.
Doch auf sie wartet harte Kost: Was tun nach Trumps einseitigen
Entscheidungen?

Sofia (dpa) - Nach dem Rückzug von US-Präsident Donald Trump aus dem
Iran-Atomabkommen gibt Europa kräftig kontra. Bundeskanzlerin Angela
Merkel und die übrigen EU-Staats- und Regierungschefs kamen am
Mittwochabend in Sofia zusammen, um Rettungsmaßnahmen für den Vertrag
zu beraten. Gipfelchef Donald Tusk kritisierte Trumps Kurs scharf und
verlangte eine «geschlossene europäische Front» dagegen.

«Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump
ansieht, könnte man denken: «Mit solchen Freunden, wer braucht da
noch Feinde?», sagte Tusk vor dem informellen Treffen der EU-Staats-
und Regierungschefs.

Der Iran zeigt sich grundsätzlich bereit, sich weiter an die im
Abkommen festgelegten Auflagen für sein Atomprogramm zu halten,
verlangt aber dafür die zugesagten wirtschaftlichen Vorteile. «Ich
möchte, dass die EU-Spitzen noch einmal bekräftigen, dass sich die EU
an den Deal hält, solange der Iran das auch tut», sagte Tusk. «Das
Abkommen ist gut für die europäische und die globale Sicherheit,
deshalb müssen wir es erhalten.» Nun müsse man auch prüfen, wie
europäische Unternehmen vor negativen Folgen der US-Entscheidung
geschützt werden könnten.

US-Präsident Trump hatte vorige Woche das Atomabkommen aufgekündigt
und neue scharfe Sanktionen gegen den Iran angekündigt. Davon könnten
auch europäische Unternehmen betroffen sein.

Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie könnte im Notfall ein
älteres Gesetz zur Abwehr von US-amerikanischen Sanktionen
reaktivieren. «Sollte es notwendig sein, sind wir bereit», sagte
EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos.

Über das sogenannte Blocking Statute könnte es europäischen
Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen
gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die
europäischen Unternehmen für etwaige Verluste entschädigt werden. Ob

und wann das EU-Abwehrgesetz zum Einsatz kommen könnte, sollte auch
Thema der Staats- und Regierungschefs in Sofia sein.

Trump hatte die europäischen Verbündeten nicht nur mit der
Iran-Entscheidung aufgebracht. Zuvor hatte der US-Präsident sein Land
bereits aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen, trotz
europäischer Bedenken die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach
Jerusalem verfügt und Strafzölle gegen die europäischen Partner
angekündigt.

Auch im Zollstreit zeigt sich die EU entschlossen zur Konfrontation.
Die EU-Kommission trieb am Mittwoch ihre Vorbereitung für
Vergeltungszölle voran: Sie beschloss, die Welthandelsorganisation
offiziell darüber zu informieren. Dies ist die Voraussetzung dafür,
dass Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und
Jeans wirklich verhängt werden können.

Noch bis zum 1. Juni gilt für die EU-Staaten eine befristete Ausnahme
von den US-Strafzöllen. Die EU will jedoch dauerhaft ausgenommen
werden, wie Ratschef Tusk bekräftigte. «Die EU und die USA sind
Freunde und Partner, deshalb können US-Zölle nicht mit der nationalen
Sicherheit begründet werden», sagte er. «Es ist absurd, auch nur
anzunehmen, dass die EU eine Bedrohung für die USA sein könnte.»

Eigentliches Thema der Staats- und Regierungschefs ist bei einem
Sondergipfel am Donnerstag die «europäische Perspektive» für die
sechs Westbalkanländer. Dabei soll es weniger um mögliche
EU-Beitritte gehen, sondern zunächst um den Ausbau von Straßen,
Energieleitungen und Kommunikationsnetzen, um die Länder enger an die
EU anzubinden. Die Befürchtung ist, dass sonst China und Russland
verstärkt auf dem Balkan investieren.