Zuckerberg weicht Fragen aus - «Keine Antwort ist auch eine Antwort»

22.05.2018 21:36

Das Format der Anhörung von Mark Zuckerberg im Europaparlament hat
viele harte Fragen verhallen lassen. Der Facebook-Chef konnte vielen
Problemen ausweichen. Für die Beteiligten lieferte der Abend dennoch
Erkenntnisse.

Brüssel (dpa) - Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist im Europaparlament
viel härter rangenommen worden als bei seinem Anhörungs-Marathon im
US-Kongress. Das Format, bei dem in Brüssel alle Fragen zum Schluss
auf einmal beantwortet werden sollten, gab dem 34-jährigen
Tech-Milliardär jedoch die Möglichkeit, unangenehmen Fragen
auszuweichen. Zuckerberg konnte einfach nur breit gefasste
Mini-Stellungnahmen zu einigen der angesprochen Themen statt
konkreter Antworten geben. Das Verfahren ist nach Auskunft des
Europaparlaments generell üblich bei der sogenannten «Conference of
Presidents» mit dem Kreis der Fraktionsvorsitzenden. Mehrere
Teilnehmer der Anhörung kritisieren Zuckerberg im Anschluss für seine
ihrer Meinung nach unzureichenden Einlassungen.

Die Fraktionsspitzen wollten in ihren Fragen unter anderem wissen,
warum Facebook die vom Datenskandal um Cambridge Analytica
Betroffenen nicht bereits 2015 informierte und ob Zuckerberg an
dieser Entscheidung beteiligt war. Und ob der Fall «nur die Spitze
eines Eisbergs» war. Sie sprachen an, dass Facebook zum Beispiel über
den «Like»-Button auch einige Daten von Nicht-Mitgliedern sammele -
und auch eine konkurrenzlose Rolle Facebooks, nachdem Konkurrenten
mit ähnlichen Online-Netzwerken aus dem Geschäft gingen.

Mit besonders scharfen Worten fiel Guy Verhofstadt,
Fraktionsvorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten für
Europa, auf. Zuckerberg müsse sich entscheiden, ob er in die
Geschichte in einer Reihe mit Technologie-Innovatoren wie
Apple-Gründer Steve Jobs und Microsoft-Gründer Bill Gates eingehen
werde - oder als «ein Genie, das ein digitales Monster geschaffen
hat, das unsere Demokratien zerstört».

Verhofstadt versuchte auch, den üblichen Argumenten Zuckerbergs bei
Fragen nach einer dominierenden Stellung Facebooks schon vorab den
Wind aus den Segeln zu nehmen - das sei, als würde ein
monopolistischer Autohersteller sagen, man könne schließlich auch
Flugzeug, Zug oder ein Fahrrad nehmen, sagte er. Zuckerberg
wiederholte dazu seine vorherigen Worte, dass es in der Branche viel
Wettbewerb gebe, weil die Nutzer auf vielen Kanälen miteinander
kommunizierten. «Aus meiner Perspektive kommen jeden Tag neue
Konkurrenten hinzu.» Insgesamt zählte er viele bereits bekannte
Maßnahmen auf und hielt sich an die Linie vorheriger Äußerungen.

«Mir ist bewusst, dass es viele konkrete Antworten gab, auf die ich
nicht konkret eingehen konnte», sagte der Facebook-Chef zum Schluss.
Man werde sie nachträglich beantworten. Einige der Fraktionschefs
machten ihrer Unzufriedenheit Luft. «Ich habe sechs Fragen
eingereicht, die mit «Ja» oder «Nein» beantwortet werden können -
und
keine davon ist beantwortet worden», empörte sich der Grüne Philippe

Lamberts. Eine davon war, ob Facebook seinen Mitgliedern die
Möglichkeit geben werde, sich komplett personalisierter Werbung zu
entziehen.

«Das war zu kurz, das war zu flach, das war nicht substanziell
genug», sagte der Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten,
Udo Bullmann, und sprach von einem Formatfehler. «Man hätte Ping-Pong
spielen müssen.» Es sei jedoch sehr wichtig gewesen, dass die
Öffentlichkeit das Gespräch live im Internet verfolgen konnte. So
habe jeder sehen können, «wie flach die Antworten ausgefallen sind».


«Keine Antwort ist auch eine Antwort», sagte Jan Philipp Albrecht von
den Grünen. Der Abend habe gezeigt, dass Facebook nicht in der Lage
sei, die Sorgen der europäischen Verbraucher aufzulösen. Die Politik
müsse deshalb künftig noch deutlicher bei Facebook hinsehen. Albrecht
zufolge hatten sich im Vorfeld alle Fraktionen dafür ausgesprochen,
Zuckerberg direkt auf die gestellten Fragen antworten zu lassen.

Der konservative Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte im
Anschluss an das Gespräch, er selbst habe das Format vorgeschlagen.
Der Italiener sprach von einem Erfolg für das Europaparlament. Dies
sei im Mittelpunkt der politischen Debatte und habe gezeigt, dass es
sich für die Interessen der Europäer einsetze.

Zum Auftakt entschuldigte sich Zuckerberg abermals für den jüngsten
Datenskandal um Cambridge Analytica. Facebook habe das Ausmaß seiner
Verantwortung unter anderem im Kampf gegen den Missbrauch von
Nutzer-Informationen durch App-Entwickler nicht erkannt, sagte
Zuckerberg am Dienstag bei einem live übertragenen Treffen mit
Fraktionsspitzen. «Das war ein Fehler und es tut mir leid.» Das waren
ähnliche Worte wie bei Zuckerbergs insgesamt zehnstündigem Auftritt
im US-Kongress. Dort fielen die Senatoren und Abgeordneten zum Teil
damit auf, dass sie die Funktionsweise von Facebook nicht kannten -
oder von der Beschränkungen auf wenigen Minuten pro Fragesteller
ausgebremst wurden.

Im März war bekanntgeworden, dass sich die britische Firma Cambridge
Analytica Zugang zu Daten von Millionen Facebook-Nutzern verschafft
hatte. Mit Hilfe der Daten sollen etwa Wähler im
US-Präsidentschaftswahlkampf zugunsten von Donald Trump mit
Wahlwerbung beeinflusst worden sein. Facebook hatte sich wiederholt
entschuldigt und diverse Konsequenzen gezogen.