Die letzte Etappe: Griechenland soll wieder auf eigenen Beinen stehen Von Takis Tsafos und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

21.06.2018 20:59

Wachstum und Haushaltsüberschüsse: Griechenland steht nach einer
harten Durststrecke wieder besser da und hofft auf einen Neuanfang.
Aber vorher ging es noch einmal ums Kleingedruckte.

Athen/Luxemburg (dpa) - Ist es wirklich bald geschafft? Nach acht
harten Jahren, nach unendlichen Nachtsitzungen und Zerreißproben für
die Eurozone soll bald die letzte Rate aus dem (mutmaßlich) letzten
Rettungsprogramm für Griechenland fließen. Die Europartner geben sich
zuversichtlich, dass das Krisenland bereit ist, finanziell wieder auf
eigenen Füßen stehen. Und doch zogen sich die Verhandlungen der
Eurofinanzminister über die letzte Hilfstranche am Donnerstagabend in
Luxemburg unerwartet in die Länge. Es passt ins Bild dieser
unendlichen Saga, die mit dem Abschluss des dritten Hilfsprogramms im
August doch noch ein Happy End finden soll.

DIE UNENDLICHE GESCHICHTE

Knapp 274 Milliarden Euro an Hilfskrediten hat Griechenland von
seinen internationalen Geldgebern erhalten, seit dem völlig
überschuldete Euro-Land der Staatsbankrott drohte. Im Mai 2010
beschlossen die europäischen Partner und der Internationale
Währungsfonds ein erstes Hilfsprogramm im Wert von 110 Milliarden
Euro. Die Kredite wurden auf die Schnelle direkt von den
Mitgliedstaaten der Eurozone vergeben. Fieberhaft stampften die
Gläubiger dann den vorläufigen Rettungsschirm EFSF aus dem Boden und
setzten ein zweites Hilfsprogramm von knapp 174 Milliarden Euro auf.
Dann die Gründung des permanenten Rettungsschirms ESM und im Juli
2015 das dritte Programm mit bis zu 86 Milliarden Euro. Die Summen
wurden jeweils nicht ausgeschöpft, auch das laufende Programm ist
kurz vor seinem Ende im August noch längst nicht am Limit. Knapp 49,5
Milliarden Euro flossen bisher.

DEUTSCHE ZINSGEWINNE

Was viele nicht wissen oder ignorieren: Deutschland hat von den
Griechenland-Stützungsaktionen auch profitiert. Seit dem Jahr 2010
wurden mindestens 2,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen verdient. Das
geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage
der Grünen hervor. Demnach gab es allem Gewinne aus Ankäufen
griechischer Staatsanleihen im Rahmen des «Securities Market
Programme» (SMP) der Europäischen Zentralbank (EZB), die bei der
Bundesbank anfielen und dem Bundeshaushalt überwiesen wurden. Die
Gewinne ergeben sich vor allem aus den Zinszahlungen für das Halten
der Anleihen. Hinzu kommen Zinsgewinne aus einem Darlehen der
Förderbank KfW.

TROIKA UND «SPARDIKTAT»

Für die Hilfen mussten die Regierungen in Athen jeweils harte
Sparprogramme und Strukturreformen durchsetzen. Rentenkürzungen,
Lohnkürzungen, Steuererhöhungen, Umbau der Verwaltung -
Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gepaart mit Ausgabenkürzungen
brachten viele Griechen in Not und das politische System in Athen ins
Wanken. Der linke Ministerpräsident Alexis Tsipras probte 2015 den
Aufstand gegen die sogenannten Troika der Geldgeberinstitutionen,
drehte dann aber kurz vor dem Ausscheiden aus dem Euro bei. In den
vergangenen drei Jahren beschloss seine Regierung nach Angaben der
EU-Kommission auf Druck der Gläubiger 450 Einzelmaßnahmen zur
Sanierung des Haushalts und des Staatswesens.

Nun lobt EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici die Erfolge: 1,4 Prozent
Wirtschaftswachstum 2017, 1,9 Prozent geschätzt in diesem Jahr. Ein
Haushaltsüberschuss von 0,8 Prozent, ohne Schuldendienst sogar 4,2
Prozent. «Griechenland hat einen langen Weg zurückgelegt», weiß
Moscovici. Aber: «Sind alle Probleme des Landes gelöst? Natürlich
nicht.»

DIE LETZTE ETAPPE

Genau diese immer noch wacklige Gesundung des Patienten war auch der
Ausgangspunkt für die abermals schwierigen Debatten der Eurogruppe
vor Freigabe der letzten Rate. Griechenland soll sich ab August
wieder am Kapitalmarkt finanzieren und braucht dafür das Vertrauen
der Anleger, dass es nun alleine klarkommt. Bei einer Schuldenlast
von knapp 180 Prozent der Wirtschaftsleistung ist der Bedarf an
Vertrauen reichlich. Die Euro-Partner wollen deshalb weiter eine
engmaschige Überwachung der griechischen Reformprogramme - immerhin
stehen gigantische Milliardensummen im Feuer. Gleichzeitig erwogen
sie eine Art Mitgift: ein Finanzpolster, das den Schuldendienst des
Landes für die nächsten Monate oder gar Jahre absichert. Statt der
ursprünglich erwogenen Auszahlung von 11,7 Milliarden Euro könnte es
deshalb zum Abschluss des Programms um eine spürbar höhere Summe
gehen. Wie hoch sie letztlich ausfällt, hängt von einem zweiten
Element des Pakets ab: Schuldenerleichterungen.

DIE SACHE MIT DEM IWF

Dabei geht es nicht um einen Schuldenschnitt, sondern um erleichterte
Kreditbedingungen. Zur Debatte standen zuletzt eine Streckung von
Zahlungsfristen um bis zu 15 Jahre oder der Austausch teurer alter
Kredite gegen preiswertere Darlehen aus dem ESM. Allerdings zeigte
sich unter anderen Deutschland immer wieder skeptisch gegenüber
solchen Erleichterungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF)
machte sie indes zur Bedingung für eine finanzielle Beteiligung am
dritten Rettungsprogramm.

Diese ist nach Darstellung von EU-Diplomaten inzwischen vom Tisch -
entgegen anderslautenden Zusagen der Bundesregierung an den
Bundestag. «Das ist schade», sagte ein hoher EU-Beamter dieser Tage.
Man tröstet sich damit, dass der IWF als harter Buchprüfer das
Programm mit zum Erfolg geführt habe.