EU-Staaten beraten über Asyl: CSU warnt vor Scheckbuch-Deals

21.06.2018 19:09

Endlich tut sich auf europäischer Ebene etwas in Sachen Asylpolitik.
Kommissionschef Juncker schlägt strengere Regeln vor. Das hat wohl
auch mit der CSU zu tun, die in diesen Tagen oft wirkt wie ein
gereizter Stier.

Berlin/Brüssel (dpa) - EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will
Asylbewerber sanktionieren, die nicht in dem für sie zuständigen
EU-Land bleiben. Der Vorschlag ist Teil eines von ihm formulierten
Entwurfs für eine gemeinsame Erklärung, über die Regierungschefs von

elf Mitgliedstaaten an diesem Sonntag in Brüssel beraten sollen.
Juncker sprach sich im Vorfeld des Treffens auch für einen besser
funktionierenden Mechanismus aus, um die Schutzsuchenden dann in
dieses Land zurückzuschicken. Gegen seine Vorschläge regt sich
bereits Widerstand. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte lehnt eine
schriftliche Festlegung schon vor Beginn des Treffens ab. Die CSU
warnt davor, sich die Zustimmung anderer Staaten mit finanziellen
Zusagen zu erkaufen.

Juncker kommt mit seinem Papier eigentlich der CSU entgegen. Sie will
Schutzsuchende, die andernorts in der Europäischen Union bereits
registriert wurden, an der deutschen Grenze abweisen. Doch die CSU
ist skeptisch: «Wir haben die Sorge, dass Angela Merkel jetzt mit dem
Scheckbuch durch Europa läuft. Sie braucht Griechenland und Italien
für eine Lösung in der Flüchtlingsfrage», sagte CSU-Vorstandsmitgli
ed
Markus Ferber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er spielte damit
auf die Einigung zum Eurozonen-Budget an, die Merkel mit Frankreichs
Staatspräsident Emmanuel Macron getroffen hatte. «Für die CSU ist
klar: Es darf keinen Deal zu Lasten der deutschen Steuerzahler geben.
Es geht nicht, Dinge zu vermischen, die nicht zusammengehören.»

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verteidigte am Donnerstag die
Einigung mit Macron. Er sagte, es sei ein Erfolg der Kanzlerin, dass
sich Frankreich hinter ihre Bemühungen gestellt habe, «durch eine
verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ländern Rücknahmen von
Flüchtlingen zu organisieren, die in einem anderen Land registriert
worden sind und dort bereits ein Asylverfahren begonnen haben».

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wies den Vorwurf zurück,

es gehe ihm im Asylstreit um die bayerische Landtagswahl im Oktober.
Er sagte im ZDF-«Morgenmagazin», er mache sich vielmehr Sorgen um die
Demokratie in Deutschland. Merkel sagte in einer Diskussionsrunde mit
Studenten in der jordanischen Hauptstadt Amman: «Wir müssen ein
offenes Land sein», auch wenn die Migration natürlich geordnet und
gesteuert werden müsse.

In Junckers Entwurf heißt es: «Wir werden einen flexiblen gemeinsamen
Rücknahmemechanismus nahe an den Binnengrenzen einrichten.» Nach
seinem Willen sollen Kanzlerin Merkel und die anderen Teilnehmer auch
eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Weiterreise von
Asylsuchenden zwischen EU-Staaten zu unterbinden. «Es gibt kein
Recht, den Mitgliedsstaat, in dem Asyl beantragt wird, frei zu
wählen», heißt es in dem Entwurf.

An Bahnhöfen, Busbahnhöfen und Flughäfen sollen dem Entwurf zufolge
Kontrollen stattfinden. Asylsuchenden sollen Strafen drohen, wenn sie
nicht im Land ihrer ersten Registrierung bleiben. Außerdem sollen sie
nur noch in dem für sie zuständigen EU-Land Sozialhilfe erhalten.

Zu dem Treffen am Wochenende werden derzeit neben Merkel die Staats-
und Regierungschefs von Österreich, Italien, Frankreich,
Griechenland, Bulgarien, Spanien, Malta, Belgien, Dänemark und der
Niederlande erwartet.

Die vier Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei)
werden dem Asyl-Gipfel fernbleiben. «Wir fahren nicht», sagte Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orban am Donnerstag nach einem Treffen der
mitteleuropäischen Staatengruppe mit dem Österreichs Kanzler
Sebastian Kurz. Das einzige Forum, das zu Entscheidungen in der
Migrationsfrage befugt sei, sei der Europäische Rat der Staats- und
Regierungschef. «Wir verstehen, dass es Länder gibt, die mit
innenpolitischen Problemen ringen, aber das darf zu keinen
gesamteuropäischen Panikhandlungen führen», sagte Orban wohl mit
Blick auf Deutschland.

Merkel steht innenpolitisch unter großem Druck. Die CSU von
Innenminister Horst Seehofer hatte ihr zwei Wochen eingeräumt, um
spätestens beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni bilaterale
Vereinbarungen zu treffen, nach denen Flüchtlinge an der Grenze
zurückgewiesen werden können, wenn sie bereits in einem anderen
EU-Land registriert wurden.

Seehofer warnte Merkel davor, ihn wegen eines Alleingangs im
Asylstreit zu entlassen. «Wenn man mit dieser Begründung einen
Minister entließe, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines
Landes sorgt und kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführung. Wo
sind wir denn?», erklärte Seehofer im Interview mit der «Passauer
Neuen Presse» (Freitag). «Ich bin Vorsitzender der CSU, einer von
drei Koalitionsparteien, und handele mit voller Rückendeckung meiner
Partei. Wenn man im Kanzleramt mit der Arbeit des
Bundesinnenministers unzufrieden wäre, dann sollte man die Koalition
beenden.»

Italiens Innenminister Matteo Salvini machte am Mittwoch schon
deutlich, dass seine Regierung keine Asylbewerber von Deutschland
zurücknehmen will. Regierungschef Conte knüpfte seine Teilnahme an
dem Treffen an Bedingungen. Merkel habe ihm bei einem Anruf am
Donnerstag von ihrer Sorge berichtet, er könne an dem Treffen nicht
teilnehmen, schrieb er auf Facebook. «Ich habe ihr bestätigt, dass es
für mich inakzeptabel gewesen wäre, an diesem Gipfel teilzunehmen,
wenn es schon einen vorgefertigten Text dafür gibt.» Merkel sagte
demnach angeblich zu, dass der Entwurf der Erklärung «beiseite
gelegt» werde. «Das Treffen wird nicht mit einem geschriebenen Text
abschließen», so Conte.

Am Rande ihres USA-Besuchs sagte Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen (CDU): «Wir sind noch lange nicht fertig mit den Aufgaben,
aber wir sind einen gewaltigen Schritt vorangekommen.» Auf dem
Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 seien im Schnitt am Tag 10 000
Menschen nach Deutschland gekommen, heute seien es noch 450. Das sei
zwar noch nicht das, was man erreichen wolle. «Aber wir haben Strecke
gemacht und das haben wir gemeinsam in Europa geschafft und insofern
sollten wir diesen gemeinsamen europäischen Weg auch weitergehen.»

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte: «Der Streit
zwischen CDU und CSU macht vielen Menschen in unserem Land Sorge.»
Dass es Probleme zwischen den Schwesterparteien gebe, sei nicht neu.
Sie betonte aber: «Aktuell braucht man Fantasie, um zu sehen, wie sie
wieder zueinander kommen könnten. Ich hoffe, dass sie das schaffen.»

FDP-Chef Christian Lindner sagte: «Für die Opposition sind das
schwierige Zeiten, denn die Regierung selbst ist sich Opposition
genug.»