Rumänien: Chef der Regierungspartei verurteilt - Straßenproteste

21.06.2018 21:08

Rumäniens inoffizieller Regierungschef Dragnea ist wegen Anstiftung
zum Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden -
jedoch noch nicht rechtskräftig. Regierungsgegner gehen dennoch mit
neuer Hoffnung wieder auf die Straße.

Bukarest (dpa) - Liviu Dragnea, Vorsitzender der regierenden
rumänischen Sozialdemokraten (PSD), ist am Donnerstag vom obersten
Gericht des Landes in erster Instanz zu drei Jahren und sechs Monaten
Haft ohne Bewährung wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch verurteilt
worden. Daraufhin demonstrierten erneut Tausende Rumänen in der
Hauptstadt Bukarest und in weiteren Universitätsstädten für den
Rücktritt der Regierung. Die PSD will am Freitag in einer Eilsitzung
des Parteipräsidiums und der regionalen Parteichefs über das weitere
Vorgehen entscheiden. In ersten Reaktionen nannten manche
PSD-Politiker das Urteil «ungerecht».

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann vor einer anderen
Kammer des obersten Gerichts angefochten werden. Dragnea ist zugleich
Präsident des Abgeordnetenhauses und damit dritter Mann im Staat. Er
war beschuldigt worden, einst als Regionalpräsident im südrumänischen

Bezirk Teleorman für fiktive Anstellungen beim Jugendamt
mitverantwortlich gewesen zu sein. Die zwei fiktiven Angestellten
hatten laut Urteil von 2006 bis 2013 Gehalt von dem Amt kassiert,
aber für die Partei PSD gearbeitet. In der gleichen Sache verurteilte
das oberste Gericht neun weitere Personen zu Haftstrafen.

Dragnea gilt als treibende Kraft der laufenden Bemühungen der
Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila, den von der EU
sehr gelobten Kampf der Staatsanwaltschaft gegen Korruption zu
bremsen. Weil er bereits wegen versuchter Wahlmanipulationen
vorbestraft ist, darf Dragnea nicht selbst Ministerpräsident werden,
jedoch kontrolliert er faktisch die Regierung.

Dancila, die als Dragneas Marionette gilt, nannte das
Urteil «willkürlich». Ohne eine rechtskräftige Verurteilung gelte
für
Dragnea die Unschuldsvermutung. Innerhalb der PSD gibt es auch
Dragnea-Kritiker, die sich aber bislang eher zurückgehalten haben.
Nur die von Dragnea an den Rand gedrängte frühere PSD-Vizepräsidentin

Ecaterina Andronescu rief ihren Parteichef auf, jetzt «an das
Schicksal des Landes zu denken». Kritiker der Regierung hoffen, dass
das Urteil innerhalb der PSD eine kritische Masse gegen Dragnea in
Bewegung setzen werde.