Vergeltungszölle auf US-Produkte: Kein Grund für Hamsterkäufe Von Erich Reimann, dpa

22.06.2018 14:08

Auch wenn die EU seit Freitag Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf
Jeans, Whiskey, Mais oder Motorräder aus den USA erhebt: Die Folgen
für die Verbraucher dürften sich vorerst in Grenzen halten.

Düsseldorf (dpa) - Die Verbraucher in Deutschland müssen durch die
von der EU verhängten Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Jeans,
Whiskey, Mais und Motorräder früher oder später mit Preissteigerungen

rechnen. Davon geht die Außenhandelsvereinigung des deutschen
Einzelhandels (AVE) aus. «Im Lebensmittelbereich könnten höhere
Preise schon bald spürbar sein, weil hier die Margen besonders gering
sind. Bei der Mode wegen der langfristig vereinbarten Kollektionen
etwas später», sagte AVE-Präsident Matthias Händle der Deutschen
Presse-Agentur. Doch Anlass zu Hamsterkäufen besteht nicht, wie eine
Umfrage unter Branchenverbänden ergab.

Beispiel Jeans: «Die meisten Jeans kommen gar nicht aus den USA»,
betont Thomas Rasch vom Modeverband Deutschland Germanfashion. Auch
wenn die Hosen Namen wie Levi's oder Wrangler trügen, produziert
würden sie meist «in der Türkei oder sonst wo». Die Vergeltungszö
lle
seien ein politisches Signal, werden aber keine spürbaren
Auswirkungen auf den deutschen Textilmarkt haben, ist der
Branchenkenner überzeugt. Wenn überhaupt, dann treffe es einzelne
besonders hippe Teile aus den Kollektionen von US-Designern, aber bei
denen spiele der Preis ohnehin nur eine untergeordnete Rolle.

Fakt ist: Von den gesamten deutschen Textilimporten in Höhe von 32,6
Milliarden Euro im vergangenen Jahr kamen gerade einmal Waren im Wert
von 67 Millionen Euro oder 0,2 Prozent aus den den USA. Damit
schafften es die Vereinigten Staaten nicht einmal unter die Top 25
der Textillieferanten für die deutschen Kleiderschränke.

Etwas anders ist die Situation bei Agrarprodukten wie Reis, Mais oder
Orangensaft. Bei Mais etwa sind die USA immerhin der drittgrößte
Lieferant für die EU, wie Wienke von Schenck von der
Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) betont. Doch auch hier
kommt ein wesentlich größerer Teil der Ware aus der Ukraine und aus
Brasilien. Bei Reis sind China, Indien und Indonesien wichtige
Lieferanten, bei Orangensaft Brasilien und China.

«Importeure werden versuchen, wo möglich auf Lieferanten aus anderen
Ländern auszuweichen», prognostiziert AVE-Präsident Händle deshalb.

Doch auch wenn dies in einigen Fällen nicht gelingt, dürften die
Auswirkungen für die deutschen Verbraucher häufig nicht so gravierend
sein, wie es der 25-prozentige Strafzoll vermuten lässt. «Bei vielen
Produkten werden sich die Strafzölle nicht eins zu eins in den
Verbraucherpreisen widerspiegeln», betont Christian Böttcher vom
Handelsverband Lebensmittel.

Denn die Produkte würden häufig noch veredelt, bevor sie in den
Handel gelangten. Der aus den USA importierte Mais wird laut AMI ganz
überwiegend als Tierfutter verwendet und landet deshalb später eher
in Form von Rindersteaks auf dem Tisch. Außerdem wird Mais häufig zu
Tortillas, Chips oder Corn Flakes weiterverarbeitet. Die Kosten für
den Mais inklusive Zusatzzoll seien dann nur noch ein Teil der
gesamten Herstellungskosten - und nicht unbedingt der wichtigste.

Nach Einschätzung des AVE-Präsidenten haben die Verbraucher ohnehin
noch eine Atempause, bis die Preissteigerungen bei ihnen ankommen.
«Es ist unwahrscheinlich, dass wir sofort höhere Preise sehen
werden», meint Händle. Zum einen liege noch einiges an Ware bereits
verzollt in den Lagern. Zum anderen verhindere der harte Wettbewerb
im deutschen Handel, dass höhere Importkosten eins zu eins an die
Verbraucher weitergereicht würden.

Die großen deutschen Supermarktketten und Discounter hielten sich
zunächst mit Prognosen über die künftige Preisentwicklung zurück.
«Ob, wann und in welchem Umfang sich die Strafzölle auf ausgewählte
US-Produkte preislich auswirken werden, kann derzeit noch nicht
vorhergesagt werden», hieß es bei Rewe. Edeka wollte sich «aus
Wettbewerbsgründen» nicht äußern. Auch Aldi Süd schwieg lieber.

Schmerzhaft spürbar könnten die Zölle aber durchaus für
eingefleischte Liebhaber typisch amerikanischer «Spezialitäten» wie
Bourbon Whiskey oder Harley Davidson Motorräder werden. Ein Sprecher
des Motorrad-Herstellers sagte am Freitag: «Dass sich die neuen Zölle
auf die Preise auswirken werden, geht nicht anders. Aber in welcher
Höhe, können wir noch nicht sagen.» Dennoch sei dem Unternehmen nicht

bange. «Wer eine Harley haben will, wird sie sich auch kaufen.»

Mit den am Freitag in Kraft getretenen Vergeltungszöllen von 25
Prozent unter anderem auf Whiskey, Jeans, Reis, Mais und Motorräder
aus den USA reagiert die EU auf zuvor von US-Präsident Donald Trump
verhängte Sonderabgaben auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus Europa.