Griechenland verlässt Rettungsprogramm mit Milliardenpolster Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

22.06.2018 16:55

Noch eine letzte Nachtsitzung, dann war das Paket geschnürt: Der
Euro-Rettungsschirm für Griechenland wird eingeklappt - verbunden mit
großen Hoffnungen für das Krisenland.

Luxemburg (dpa) - Nach acht Krisenjahren verlässt Griechenland mit
einem letzten milliardenschweren Hilfspaket das Euro-Rettungsprogramm
und steht ab August finanziell wieder auf eigenen Beinen. Dies
besiegelten die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Freitag und
bekamen dafür überwiegend Lob. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüß
te
das «gute Signal», der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras
sprach von einer «historischen Einigung». Doch muss sein Land auch
künftig strikte Auflagen einhalten.

Griechenland geriet 2010 wegen Überschuldung an den Rand der
Staatspleite und hing seitdem am Tropf der europäischen Partner und
des Internationalen Währungsfonds (IWF). Über die Jahre erhielt das
Land 273,7 Milliarden Euro an vergünstigten Krediten aus drei
Hilfsprogrammen im Gegenzug für harte Spar- und Reformprogramme,
darunter Einschnitte bei Renten und Einkommen und Steuererhöhungen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erinnerte daran, dass dies zwar eine
beispiellose Hilfsaktion für einen Einzelstaat gewesen sei. Der
deutsche Steuerzahler habe aber nichts verloren. Es gehe um Kredite,
die die Rettungsschirme mit dem Kapital der Europartner im Rücken
viel günstiger aufnehmen konnten als Griechenland. «Deshalb ist das,
was wir hier zur Verfügung stellen, unsere Kraft und unseren guten
Namen, aber noch lange nicht unser Geld», meinte der SPD-Politiker.

Er hatte in der Nacht zum Freitag den übrigen Europartnern in
Luxemburg das letzte Hilfspaket geschnürt. Um Details wurde noch
einmal stundenlang gestritten. Dann stand fest: Zum Abschluss des
2015 aufgelegten dritten Rettungsprogramms erhält Athen noch einmal
15 Milliarden Euro an Krediten und Schuldenerleichterungen. Dafür
verpflichtet es sich zur Fortsetzung des Spar- und Reformkurses und
akzeptiert weiter regelmäßige Kontrollen.

Der Beginn von Zins- und Rückzahlungen älterer Kredite wird um
weitere zehn Jahre hinausgeschoben. Außerdem soll Griechenland wieder
Zinsgewinne der Europartner gutgeschrieben bekommen, sofern es
politische Zusagen einhält. Die letzte Auszahlung soll weitgehend in
Reserven fließen. So startet Griechenland mit einem Finanzpolster von
24,1 Milliarden Euro an den Kapitalmarkt, womit der Schuldendienst in
jedem Fall für 22 Monate gesichert ist.

Hauptziel des Manövers ist es, das Vertrauen von Anlegern zu stärken
und dem Land ab August die Aufnahme bezahlbarer Kredite zu
erleichtern. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici nannte das
Gesamtpaket glaubwürdig und würdigte den Deal feierlich. «Das ist ein

historischer Moment», sagte er. «Die griechische Krise ist heute
Abend vorbei.»

Mahner bezweifeln das. «Griechenland ist noch nicht über den Berg»,
warnte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. «Die Krise kann
jederzeit wiederkommen.» Aus seiner Sicht gehen die
Schuldenerleichterungen nicht weit genug. «Die Krise ist nicht
vorbei, sondern wird in ein Dauerkuratel überführt», kritisierte er.


Inzwischen hat Griechenland zwar wieder Wirtschaftswachstum und
Haushaltsüberschüsse, wenn man den Schuldendienst ausklammert. Doch
ist immer noch jeder Fünfte arbeitslos, und die staatliche
Verschuldung liegt bei etwa 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. In
dem jetzt vereinbarten Paket wird bis 2022 ein Primärüberschuss von
jährlich 3,5 Prozent angenommen und danach bis 2060 jährlich 2,2
Prozent. Gemeint ist ein Haushaltsüberschuss ohne Berücksichtigung
des Schuldendiensts. Auf die Frage, ob das denn realistisch sei,
sagte Scholz: «Ich glaube, dass das Anstrengungen zur Folge hat.»

Anders als ursprünglich geplant und dem Bundestag zugesichert,
beteiligt sich der IWF nicht finanziell am letzten Programm. Der IWF
hatte jahrelang offen gezweifelt, ob griechische Schuldenlast auf
Dauer tragbar ist, und will die neue Vereinbarung nun zunächst
prüfen. Scholz meinte indes, die Summe von nur 1,6 Milliarden Euro
vom IWF werde nicht gebraucht. An früheren Krediten und an der
Programmaufsicht bleibe der Fonds ja beteiligt.

Als Lehre aus den dramatischen Folgen der Finanzkrise will die
Eurozone ihre Institutionen wetterfester machen. Dazu zählt eine
stärkere Bankenunion mit einer gemeinsamen Absicherung des bereits
eingerichteten Abwicklungsfonds sowie letztlich auch eine gemeinsame
Einlagensicherung. Der Rettungsschirm ESM soll zu einem Europäischen
Währungsfonds ähnlich dem IWF ausgebaut werden. Die Vorschläge liegen

seit längerem auf dem Tisch und wurden auch in Luxemburg wieder
debattiert, aber ohne wirkliche Fortschritte.

Zusätzlich hatten sich Deutschland und Frankreich zuletzt darauf
verständigt, auch einen gemeinsamen Haushalt für die Eurozone
einzurichten und über Investitionen die wirtschaftliche Angleichung
der Währungsunion voranzubringen. Mehrere Finanzminister sagten
jedoch in Luxemburg, dabei sei kein Konsens in Sicht. Die Debatte
sollte aber auch nur den EU-Gipfel nächste Woche vorbereiten.