Ein Monat DSGVO: Neue Regeln halten Datenschutz-Behörden in Atem

23.06.2018 08:00

Berlin (dpa) - Der erste Monat mit der neuen europäischen
Datenschutz-Verordnung hat die zuständigen deutschen Behörden zum
Teil an ihre Grenzen gebracht. Neben Beschwerden bekommen die
Landes-Datenschützer auch viele Nachfragen von Unternehmen und
Bürgern zum Umgang mit den neuen Regeln, die seit dem 25. Mai
greifen.

«Wir nennen uns nur noch Call-Center», sagte eine Sprecherin des
hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch. «Die Zahl
der Anfragen ist extrem hoch. Vor allem bei Firmen, Kommunen und auch
bei Vereinen herrschen große Unsicherheiten.» Auch Privatleute wenden
sich mit ihren Fragen an den Datenschutzbeauftragten und sein Team.
Wie viele formale Beschwerden unter den Anfragen sind, konnte die
Sprecherin nicht beziffern.

Auch die Datenschützer in Nordrhein-Westfalen versinken in einer Flut
von Anfragen. «Die Telefone stehen nicht mehr still», sagte ein
Sprecher. Täglich nehme der mit nur einer Person besetzte Empfang
rund 100 Anrufe zum Thema europäische Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO) entgegen. In den Tagen rund um den Start der neuen EU-Regeln
am 25. Mai seien es sogar 140 Anrufe täglich gewesen. Seit Anfang des
Jahres erreichten die NRW-Datenschützer 4700 schriftliche Eingaben -
im gesamten Vorjahr waren es nur knapp 4000. Allerdings fallen
darunter nicht nur Beschwerden, sondern auch Beratungsanfragen.

«An einem Tag gehen jetzt so viele Beschwerden ein wie vorher in zwei
Wochen», sagte ein Sprecher der Berliner Datenschutz-Behörde. Genaue
Zahlen lägen noch nicht vor. Als Schwerpunkte kristallisierten sich
Online-Handel und Lieferdienste für Essen heraus. Die Fälle werden
nun geprüft und die Unternehmen um Stellungnahme gebeten. Viele
Bürger seien im Zuge der Berichterstattung über die neuen Regeln
stärker in Sachen Datenschutz sensibilisiert. «Sie haben davon
erfahren, dass es Datenschutz überhaupt gibt, das war vorher bei
vielen nicht bekannt.»

Die EU-Grundverordnung soll Bürgern mehr Mitsprache dabei geben, was
mit ihren Daten in Unternehmen, Vereinen oder Behörden passiert. Dazu
gehören Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Ausweisnummer oder IP-Adresse.
Besonders empfindliche Daten etwa zu Religion, Gesundheit oder
Sexualleben dürfen nur in Ausnahmefällen verarbeitet werden. Daten,
die für den ursprünglichen Speicherzweck nicht mehr benötigt werden,

müssen gelöscht werden. Zudem haben Verbraucher ein Auskunftsrecht.

Beim Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar gingen fast
doppelt so viele Beschwerden wie zuvor ein. Insgesamt wandten sich im
ersten DSGVO-Monat 460 Mal Bürger an die Behörde. 260 dieser Eingänge

wurden bereits ausgewertet. In 60 Prozent der Fälle beschwerten sich
die Bürger über Verstöße gegen die neue Datenschutz-Grundverordnung
.

In Schleswig-Holstein gingen rund 400 Beschwerden ein. Einige davon
richteten sich gegen mehrere Verantwortliche, sagte die
Landes-Datenschutzbeauftragte Marit Hansen. «Beispielsweise ging es
in einer Beschwerde um mehr als 20 mutmaßliche Datenschutzverstöße.
»
Manchmal reichten für denselben Fall mehrere Betroffene Beschwerde
ein. In einem Fall habe es vier getrennte Beschwerden gegeben.

In Thüringen dagegen gab es nach Angaben des Datenschutzbeauftragten
Lutz Hasse keinen signifikanten Anstieg von Beschwerden im
Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung. «Allerdings haben
sich die Eingangszahlen auf bis zu 500 pro Tag deshalb stark erhöht,
weil sehr viele Fragen - auch von Unternehmen - zur DSGVO gestellt
werden», erklärte Hasse. «Das ist sehr schön, drückt unsere Beh
örde
aber kapazitätsmäßig ganz schön in die Knie.»