Schäuble warnt Seehofer: Bei Alleingang müsste Merkel durchgreifen

23.06.2018 16:28

Berlin (dpa) - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) davor gewarnt, gegen den
Willen der Kanzlerin Zurückweisungen an der Grenze anzuordnen. «Wenn
in dieser Frage ein Minister anders als die Kanzlerin entscheiden
würde, hat sie aus der Würde ihres Amtes heraus keine Wahl», sagte
Schäuble dem «Tagesspiegel am Sonntag». Er bezieht sich damit auf die

Möglichkeit von Regierungschefin Angela Merkel (CDU), einen Minister
bei einem Verstoß gegen die von ihr vorgegebenen Richtlinien zu
entlassen - in diesem Fall Seehofer.

Merkel hat Seehofers Plan, bestimmte Flüchtlinge an der Grenze im
nationalen Alleingang zurückzuweisen, zu einer Frage ihrer
Richtlinienkompetenz erklärt. Seehofer meint dagegen, er könne diese
Entscheidung als Innenminister alleine treffen.

Schäuble gab sich zuversichtlich, dass Merkel und Seehofer «klug
genug» seien, es nicht zum Bruch kommen zu lassen. «Ich kann nur
hoffen und bin auch sicher, dass beide nach einer Lösung suchen, die
nicht nur ihr eigenes Gesicht, sondern auch das Gesicht des anderen
wahrt», sagte er. «Alles andere wäre unverantwortlich.»

Der CDU-Politiker warnte auch vor Gedankenspielen, angesichts des
Konfliktes die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU aufzukündigen.
Die Situation heute habe nichts mit der von 1976 zu tun, als die CSU
die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU kurzzeitig beendet hatte. Die
Union sei damals in der Opposition gewesen. «Jetzt sind wir in der
Regierung», betonte Schäuble. «Das ist ein fundamentaler Unterschied.

Da stellen sich Fragen der Stabilität des Landes und des
Parteiensystems auf ganz andere Weise.» Deutschland, Europa und das
gesamte demokratische Modell seien in einer kritischen Phase.