CSU triezt Merkel vor EU-Asyl-Treffen - Unmut in Union

24.06.2018 12:28

Die CSU lässt im Asylstreit mit der Kanzlerin nicht locker und dreht
vielmehr richtig auf: Kurz vor dem - für Merkel wichtigen -
EU-Treffen zum Thema geben Seehofer und andere der CDU-Chefin
unverhohlene Botschaften mit. Aber verzockt sich die CSU vielleicht?

Berlin (dpa) - Im erbitterten Streit über die Asylpolitik hat die
CSU-Führung den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kurz vor dem
EU-Sondertreffen in Brüssel noch einmal erhöht. Bundesinnenminister
Horst Seehofer (CSU) richtete eine offene Kampfansage an Merkel und
sagte, er werde sich auch durch ihre Richtlinienkompetenz nicht davon
abbringen lassen, Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Staaten einen
Asylantrag gestellt hätten, an der Grenze abzuweisen. Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mahnte, es brauche dringend eine
Regelung, um solche «Antrags-Touristen» zurückzuweisen.

In Teilen der Union stoßen die heftigen Streitigkeiten an der Spitze
auf wachsendes Unbehagen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU)
warnte Seehofer davor, Merkel mit einem Alleingang herauszufordern
und seine Entlassung zu provozieren. Auch der Koalitionspartner SPD
ist höchst irritiert und fordert nun ein Bekenntnis zum gemeinsamen
Koalitionsvertrag.

Zwischen CDU und CSU läuft in der Asylfrage ein offener Machtkampf.
Die CSU will Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, wenn sie
schon in einem anderen EU-Land registriert sind. Merkel ist dagegen,
so etwas ohne Abstimmung mit den EU-Partnern zu tun, und will eine
europäische Lösung mit bilateralen Rücknahme-Vereinbarungen. Die
CSU-Spitze hat Merkel dafür bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni
Zeit gegeben. Dort soll Merkel Ergebnisse erreichen. An diesem
Sonntag ist in Brüssel zur Vorbereitung ein informelles
Arbeitstreffen geplant, an dem 16 EU-Staaten teilnehmen wollen.

Schafft es die Kanzlerin nicht, auf EU-Ebene Vereinbarungen zu
schließen, will Seehofer als Minister gegen ihren Willen im
nationalen Alleingang Zurückweisungen anordnen. Das könnte zum Bruch
des Unions-Bündnisses und damit zum Ende der Koalition führen.

Seehofer gab sich unversöhnlich. Der «Süddeutschen Zeitung» (Samsta
g)
sagte er, es sei höchst ungewöhnlich, gegenüber dem Vorsitzenden des

Koalitionspartners CSU mit der Richtlinienkompetenz zu drohen. «Das
werden wir uns auch nicht gefallen lassen.» Er unterstütze zwar eine
europäische Lösung. «Aber wenn es bis zum EU-Gipfel keine Regelung
gibt, beginne ich mit den Zurückweisungen an der Grenze.»

Auch Bayerns Innenminister Herrmann beharrte darauf. «Im letzten Jahr
haben wir in Deutschland 40 000 Flüchtlinge registriert, die schon in
anderen Ländern einen Asylantrag gestellt haben. Wir brauchen jetzt
eine eindeutige Regelung, wie man diese Antrags-Touristen an den
Grenzen abweisen kann», sagte er der «Bild am Sonntag». Deshalb seien

auch Grenzkontrollen in ganz Deutschland nötig - nicht nur in Bayern.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat neue
Grenzkontrollen in seinem Land aber bereits ausgeschlossen. Das komme
nicht in Frage, sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Samstag).

Flächendeckende Grenzkontrollen wären nach Einschätzung von
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gar nicht machbar.
Die Bundespolizei könne unmöglich die ganze Grenze kontrollieren,
sagte er der «Bild am Sonntag». Sollte Seehofer Zurückweisungen im
Alleingang anordnen, sei zu befürchten, dass Italien Flüchtlinge
nicht mehr registriere, sondern ohne Kontrolle weiterreisen lasse.

Schäuble warnte Seehofer vor einem Alleingang. «Wenn in dieser Frage
ein Minister anders als die Kanzlerin entscheiden würde, hat sie aus
der Würde ihres Amtes heraus keine Wahl», sagte er dem «Tagesspiegel

am Sonntag». Der Bundestagspräsident bezog sich damit auf Merkels
Möglichkeit, Seehofer bei einem Verstoß gegen die von ihr
vorgegebenen Richtlinien zu entlassen.

Mäßigend meldete sich CSU-Vize Manfred Weber zu Wort. Die Kanzlerin
brauche nun Unterstützung, um auf EU-Ebene Ergebnisse im deutschen
Interesse zu erreichen, sagte der Chef der EVP-Fraktion im
EU-Parlament den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Auch die Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU rief beide
Seiten zur Mäßigung auf. Deren Vorsitzender Christian Haase sagte,
die kommunalen Kräfte in der Union seien «fassungslos angesichts der
Eskalation innerhalb der Bundesregierung».

Politiker aus SPD und Opposition werfen der CSU vor, es gehe ihr bei
der Eskalation um den Sturz der Kanzlerin. Die CSU ist auch mit dem
Vorwurf konfrontiert, hinter den Kämpfen stecke Wahlkampfstrategie,
um sich gegen die erstarkende AfD zu behaupten. Im Oktober ist in
Bayern Landtagswahl. Der CSU droht der Verlust der absoluten
Mehrheit. Die Partei hat noch nicht entschieden, ob sie Merkel in
ihren Landtagswahlkampf einbinden will. Nach Informationen der dpa
soll die Wahlkampfplanung der CSU erst in den nächsten Wochen
festgezurrt werden - je nachdem wie der Konflikt ausgeht. Die «Welt
am Sonntag» hatte berichtet, die CSU plane den Wahlkampf ohne Merkel.

Die SPD beklagt, die Union schade mit ihrem Streit dem Land.
SPD-Chefin Andrea Nahles will CDU und CSU beim Koalitionsausschuss an
diesem Dienstag ein Bekenntnis zum Koalitionsvertrag abverlangen.
«Seit Wochen legen sich CDU und CSU gegenseitig, Deutschland und halb
Europa lahm. Am Dienstag müssen wir da mal Tacheles reden», sagte sie
der «Bild am Sonntag». Sie wolle von CDU und vor allem CSU wissen, ob
sie noch konstruktive Sacharbeit leisten könnten und wollten.