Deutsche Justiz stellt sich hinter zwangspensionierte Richterin

20.07.2018 18:21

Karlsruhe (dpa) - Die Spitzen von Bundesverfassungsgericht und
Bundesgerichthof (BGH) haben sich bei einem gemeinsamen Auftritt in
Karlsruhe mit der zwangspensionierten polnischen Gerichtspräsidentin
Malgorzata Gersdorf solidarisiert. «Ich bin sehr gerne gekommen, auch
als Zeichen, dass die Gerichte in Deutschland die Entwicklung mit
großer Sorge beobachten», sagte Verfassungsrichter Johannes Masing
als Vertreter von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Freitag bei
einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Polen entferne sich
immer weiter vom Rechtsstaat, kritisierte er den seit rund zwei
Jahren andauernden Umbau der Justiz durch die nationalkonservative
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Für die jüngste Eskalation hatte die Zwangspensionierung zahlreicher
oberster Richter gesorgt: Die PiS hatte zum 4. Juli ein Gesetz
durchgesetzt, wonach die Juristen mit 65 statt mit 70 Jahren in den
Ruhestand gehen. Gersdorf, die 65 Jahre alt ist, geht bisher trotzdem
weiter zur Arbeit. Aus ihrer Sicht will die PiS missliebige Richter
loswerden. «Richter sollen als Beamte dem Justizminister unterstellt
werden», sagte die Juristin, die seit längerem zu einer Rede über die

Situation des polnischen Rechtsstaats nach Karlsruhe eingeladen war.

Auch BGH-Präsidentin Bettina Limperg stellte sich im Streit um die
Unabhängigkeit der polnischen Justiz hinter ihre polnische Kollegin.
«Wir sehen ein Mitgliedsland der Europäischen Union in einer
Situation, die noch vor einigen Jahren nicht vorstellbar war», warnte
sie und fügte hinzu: «Was mich mit Sorge erfüllt, ist, dass wir diese

Entwicklung nicht richtig aufzuhalten können scheinen.»

Polens Regierung zeigt sich trotz laufenden EU-Sanktionsverfahrens
wegen Verstößen gegen EU-Grundwerte bisher uneinsichtig: Parallel zu
Gersdorfs Auftritt verabschiedete das polnische Parlament ein Gesetz
zur schnellen Nachbesetzung von Gersdorfs Posten.