EU-Kommission legt im Streit über polnische Justizreform nach

14.08.2018 17:01

Seit mehr als zwei Jahren streitet die EU-Kommission mit Warschau
über den Umbau der polnischen Justiz. Und die Brüsseler Behörde läs
st
nicht locker.

Brüssel (dpa) - Im Streit über die Zwangspensionierung von Richtern
in Polen droht die EU-Kommission mit einer Klage, falls Warschau
nicht binnen eines Monats Änderungen veranlasst. Die Brüsseler
Behörde wies die Argumente der nationalkonservativen Regierung in
Polen am Dienstag zurück und setzte die neue Frist. Damit eskaliert
der Dauerstreit zwischen Warschau und Brüssel abermals.

Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Gerichte, die
Gewaltenteilung und damit EU-Grundwerte in Polen in Gefahr. Schon
seit 2016 versucht die Behörde deshalb, die Justizreformen der
rechtskonservativen Regierungspartei PiS zu stoppen oder abzumildern.
Aktueller Streitpunkt: die vorzeitige Pensionierung von Richtern am
Obersten Gericht Polens.

Seit dem 3. Juli greift eine Reform, wonach die obersten Richter
bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen müssen.
Die Regelung trifft 27 von 72 obersten Richtern. Wer im Amt bleiben
will, muss dies bei Staatspräsident Andrzej Duda beantragen. Kritiker
monieren, so könnten nicht genehme Richter vorzeitig entfernt werden.

Die EU-Kommission hatte deshalb Anfang Juli ein Verfahren wegen
Verletzung der EU-Verträge gegen Polen eingeleitet. In einer
Stellungnahme wies die polnische Regierung daraufhin die Vorwürfe aus
Brüssel zurück und betonte, die Organisation des Justizsystems liege
laut EU-Verträgen allein in der Zuständigkeit der Mitgliedsländer.

Also gebe es keinen Verstoß gegen allgemeines EU-Recht. Im übrigen
schränke die Senkung des Pensionsalters die Unabhängigkeit der
Rechtssprechung nicht ein.

Die Brüsseler Behörde, die für die Durchsetzung von EU-Recht
zuständig ist, ließ das nicht gelten. «Die rechtlichen Bedenken der
Kommission werden durch die Antwort der polnischen Behörden nicht
ausgeräumt», erklärte sie nun. «Die Europäische Kommission hält
daran
fest, dass das polnische Gesetz über das Oberste Gericht gegen
EU-Recht verstößt.» Die polnischen Behörden hätten einen Monat Ze
it,
um «die erforderlichen Maßnahmen» zu treffen. Ansonsten könne die
Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Das polnische Außenministerium sagte am Dienstagnachmittag eine
fristgerechte Antwort auf die Bedenken zu. Doch bemängelte das
Ministerium, die Kommission sei auf Polens Argumente nur sehr
allgemein eingegangen und habe im Wesentlichen ihre bekannte Haltung
wiederholt.

Im Streit über die polnischen Justizreformen ist dies nur eines von
mehreren Vertragsverletzungsverfahren. Darüber hinaus startete die
Kommission im Dezember 2017 erstmals überhaupt ein
Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen möglicher
Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen.

Das Artikel-7-Verfahren ist viel weitreichender als normale
Vertragsverletzungsverfahren: Es kann im äußersten Fall zum Entzug
von Stimmrechten im EU-Ministerrat führen. Die Mitgliedstaaten haben
Polen bereits einmal angehört und beraten voraussichtlich im Herbst,
wie es weiter geht.