Grünes Licht für die «Aquarius»: Malta lässt Rettungsschiff anleg en

14.08.2018 18:49

Wieder ist ein Rettungseinsatz der «Aquarius» in ein diplomatisches
Ringen ausgeartet. Die Blockade des Schiffs mit mehr als 140
Migranten an Bord soll nun ein Ende haben. Doch eine langfristige
Lösung ist bislang nicht in Sicht.

Valletta (dpa) - Das seit Tagen auf dem Mittelmeer ausharrende
Rettungsschiff «Aquarius» mit 141 Migranten an Bord darf nun doch auf
Malta anlegen. Das gab die Regierung des Inselstaats am Dienstag nach
einer Vereinbarung mit anderen EU-Staaten zur Aufnahme der
Schutzsuchenden bekannt.

Alle Migranten an Bord würden auf Deutschland, Frankreich, Luxemburg,
Portugal und Spanien aufgeteilt, hieß es. Wann genau die «Aquarius»
in einen Hafen einlaufen kann, war zunächst offen.

Das Schiff der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne
Grenzen hatte die Menschen am Freitag von Booten vor der libyschen
Küste aufgenommen. Seitdem wartete es auf die Zuweisung eines
sicheren Hafens. Die «Aquarius» befand sich zuletzt zwischen Italien
und Malta - beide Länder hatten zunächst keine Genehmigung für das
Anlaufen eines Hafens erteilt. Malta sprach nun von einem
«Entgegenkommen», «obwohl es keine rechtliche Verpflichtung dazu»
gegeben habe. Der Streit um den Umgang mit geretteten Migranten war
in den vergangenen Monaten immer wieder zur Belastungsprobe für die
EU-Staaten geworden.

Deutschland wird «aus Gründen der Humanität» bis zu 50 Gerettete
aufnehmen, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. «Der zukünftige
Umgang mit aus Seenot geretteten Migranten bedarf allerdings einer
baldigen europäischen Lösung und der solidarischen Beteiligung aller
Mitgliedsstaaten», betonte ein Sprecher.

Amnesty International hatte vor der maltesischen Ankündigung dazu
aufgerufen, nicht mehr «mit Menschenleben zu spielen». SOS
Méditerranée berichtete von vielen unbegleiteten Minderjährigen an
Bord. «Viele von ihnen sind chronisch mangelernährt, was wir auf die
Haftbedingungen in Libyen zurückführen, wo die meisten keinen Zugang
zu ausreichend Nahrung hatten», sagte eine Sprecherin. «Unsere Teams
haben viele Berichte von Missbrauch, Folter, Zwangsarbeit und
sexueller Gewalt gesammelt.» Einige Gerettete hätten eine Flucht aus
Libyen bereits mehrmals versucht.

Der für Migrationspolitik zuständige EU-Kommissar Dimitris
Avramopoulos lobte Deutschland und die anderen vier Aufnahmestaaten
für ihre Solidarität. Zugleich forderte er die nicht beteiligten
EU-Länder zu einem Umdenken auf. «Die Verantwortung liegt nicht nur
in den Händen einiger weniger Mitgliedstaaten, sondern in der der
gesamten Europäischen Union», kommentierte Avramopoulos. «Wir könne
n
nicht auf Ad-hoc-Regelungen bauen, wir brauchen dauerhafte Lösungen.»
Frankreich kündigte an, in den kommenden Wochen gemeinsam mit seinen
Partnern Vorschläge vorzulegen.

Nach Angaben des maltesischen Regierungschefs Joseph Muscat ging die
Lösung auf eine gemeinsame Initiative mit dem französischen
Präsidenten Emmanuel Macron zurück. Zusätzlich sollen auch 60 von 114

Migranten auf die anderen EU-Länder verteilt werden, die ein
maltesisches Militärschiff am Montag aufgenommen hatte.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sprach von einem
«Pionierabkommen». Ein ähnliches Vorgehen hatte es allerdings schon
beim Rettungsschiff «Lifeline» gegeben: Dieses ließ Malta im Juni
erst nach einer Vereinbarung zur Aufteilung der Migranten unter
EU-Ländern anlegen.

Die «Aquarius» war am 1. August zurück in die Such- und Rettungszone

vor der libyschen Küste gefahren, obwohl die letzte Rettungsmission
in einem Debakel endete. Die populistische Regierung in Italien, die
eine harte Hand in der Migrationsfrage zeigt, verwehrte der
«Aquarius» damals mit mehr als 600 Migranten an Bord die Einfahrt in
einen Hafen - sie fuhr schließlich nach Spanien. Auch andere Schiffe,
die Menschen aus Seenot gerettet hatten, konnten über Tage hinweg
nicht anlegen, weil ihnen nicht sofort ein Hafen zugewiesen wurde.

Die Regierung von Gibraltar kündigte unterdessen an, der «Aquarius»
am 20. August die Flagge zu entziehen. Das Seeamt des britischen
Überseegebietes habe das Schiff vor wenigen Wochen aufgefordert, den
Einsatz als spezielles Rettungsschiff einzustellen und zum
registrierten Status als Vermessungsschiff zurückzukehren. Laut SOS
Méditerranée gibt es einen Einspruch gegen das Vorhaben - die
Organisation warf Gibraltar vor, politische Absichten zu verfolgen.

Falls die «Aquarius» ihre Flagge verliert, könnte sie nach Angaben
Gibraltars künftig unter deutscher Flagge fahren. Das geht aus einer
Mitteilung der Regierung des britischen Überseegebiets hervor.
«Sollte die Registrierung enden, wird das Schiff das Register von
Gibraltar (UK) verlassen und zur Flagge seines eigentlichen
Eigentümers zurückkehren» - dies sei Deutschland.