Italiens Regierung verstärkt Druck auf Autobahnbetreiber

17.08.2018 11:39

Der Brücken-Einsturz von Genua dürfte für die Autobahngesellschaft
teuer werden. Die Regierung verlangt Rechenschaft. An der
Unglücksstelle wird unterdessen immer noch gesucht.

Genua (dpa) - Nach dem verheerenden Brückeneinsturz in Genua mit
Dutzenden Toten verstärken die italienischen Behörden den Druck auf
die Betreibergesellschaft. Das Verkehrsministerium leitete eine
Untersuchung von Autostrade per l'Italia ein und forderte das
Unternehmen am Donnerstagabend auf, binnen 15 Tagen nachzuweisen,
dass es all seinen Instandhaltungspflichten nachgekommen sei. Die
Gesellschaft müsse außerdem bestätigen, dass sie den Viadukt auf
eigene Kosten vollständig wiederaufbauen werde.

Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toto, und
Verkehrsstaatssekretär Edoardo Rixi erklärten laut Nachrichtenagentur
Ansa, Genua werde bis 2019 eine neue Autobahnbrücke haben. «Die
Gesellschaft Autostrade wird sie bezahlen. Wer sie baut, werden wir
abwägen», sagte Rixi.

Italienische Einsatzkräfte bargen am späten Donnerstagabend die auf
den Resten der Brücke noch stehenden Fahrzeuge. Darunter war auch der
grüne Lastwagen, dessen Fahrer bei der Katastrophe am Dienstag wenige
Meter vor der Abbruchstelle bremsen konnte. Lokale Medien zeigten ein
Video von dem Lastwagen am Abgrund.

Die Retter suchten die ganze Nacht zum Freitag nach weiteren Opfern,
da mindestens zehn Menschen noch vermisst werden. Die Suche
konzentrierte sich auf die Trümmer eines Brückenpfeilers am linken
Polvecera-Ufer. Während eines Unwetters war ein etwa 180 Meter langer
Abschnitt des Viadukts in der italienischen Hafenstadt in die Tiefe
gestürzt und hatte zahlreiche Fahrzeuge mitgerissen.

Bei dem Unglück waren mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Laut
italienischen Presseberichten vom Freitag wollen die Angehörigen von
17 der 38 Opfer aus Ärger über die Regierung in Rom nicht an der für

Samstag angesetzten offiziellen Trauerfeier teilnehmen.

Die Regierung macht Autostrade per l'Italia für das Unglück
verantwortlich. Das Unternehmen versicherte bisher, seinen
Wartungspflichten stets nachgekommen zu sein. Die Zeitung «La
Repubblica» berichtete am Freitag aber, dass eine von der Firma in
Auftrag gegebene Studie schon 2017 Schwächen in den Tragseilen der
Brücke entdeckt habe.

In der neuen italienischen Regierung zeigten sich unterdessen erste
Differenzen, wie weiter vorzugehen sei. Der Chef der
Fünf-Sterne-Bewegung und Minister für Wirtschaftliche Entwicklung,
Luigi Di Maio, bekräftigte am Donnerstagabend im Sender La7, man
werde dem Unternehmen nicht nur die Lizenz für die Autobahn
entziehen, sondern auch eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro
verhängen und dafür - wenn nötig - vor Gericht ziehen.

Dagegen sagte der Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo
Salvini, er wolle vom Betreiber «alles, was möglich ist» für die
Angehörigen der Opfer, die Verletzten und die nun Obdachlosen
bekommen. «Über Konzessionen, Strafen und Spitzfindigkeiten reden wir
von kommende Woche an», zitierte ihn Ansa.

Aus Sicherheitsgründen waren in Genua insgesamt 13 Wohnhäuser
evakuiert worden. 558 Menschen verloren der Präfektur zufolge ihr
Zuhause. 117 seien in Hotels oder bei Privatleuten untergebracht.

Der mehr als 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke
genannt wird, spannte sich nicht nur über Wohnhäuser, sondern auch
über Gleisanlagen und Fabriken. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10
und verbindet den Osten mit dem Westen der Stadt. Sie ist als
Urlaubsroute «Autostrada dei Fiori» bekannt und eine wichtige
Fernstraße nach Südfrankreich, ins Piemont und in die Lombardei.