Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan gestorben

18.08.2018 19:43

Er galt als moralisches Gewissen der Welt, wurde
Friedensnobelpreisträger - und musste dennoch einen Misserfolg als
Vermittler hinnehmen. Nun ist Kofi Annan gestorben. Die Welt trauert
- doch einer schweigt.

Genf (dpa) - Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan ist am Samstag
im Alter von 80 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben. Dies teilte
seine Stiftung am Samstag mit. Er habe «während seines gesamten
Lebens für eine gerechtere und friedlichere Welt» gekämpft, heißt e
s
in der Mitteilung der Stiftung. Seine Frau Nane und die drei Kinder
seien in seinen letzten Tagen an seiner Seite gewesen. Annan starb in
einem Krankenhaus in Bern in seiner Wahlheimat Schweiz.

Im Jahr 1997 war der Ghanaer als erster Mann aus Subsahara-Afrika
UN-Generalsekretär geworden. Fünf Jahre später hatte er sich
international einen solch guten Ruf erworben, dass seine Wiederwahl
unumstritten war. 2001 erhielt er zusammen mit den Vereinten Nationen
den Friedensnobelpreis. Seine Amtszeit endete 2006.

Der amtierende UN-Generalsekretär Antonio Guterres nannte Annan in
einer Stellungnahme einen «treibende Kraft des Guten». Er habe die
Vereinten Nationen «mit beispielloser Würde und Entschlossenheit» in

das neue Jahrtausend geleitet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilte mit, Annan habe sie und
viele andere «mit seinen Ideen, seinen aufrechten Überzeugungen und
nicht zuletzt seinem Charisma» inspiriert. Er sei ein «herausragender
Staatsmann im Dienste der Weltgemeinschaft» gewesen. Auch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte. «Er hatte die
besondere Gabe, sich des Leids eines jeden Einzelnen ebenso
anzunehmen wie den großen Fragen der internationalen Ordnung»,
schrieb Steinmeier über Annan.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron würdigte ebenfalls die
Lebensleistung Annans. «Wir werden weder seinen ruhigen und
entschlossenen Blick noch die Kraft seiner Kämpfe vergessen»,
twitterte Macron. Der russische Präsident Wladimir Putin hob in einem
Beileidstelegramm hervor: «Besonders bedeutend war sein persönlicher
Beitrag zum Ausbau des friedenserhaltenden Potenzials der UN und zur
Beilegung einer Reihe regionaler Konflikte.» Putin schrieb weiter:
«Die Russen werden im Herzen immer seiner gedenken.»

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama betonte in einer
Stellungnahme: «Kofi Annan war ein Diplomat und Menschenfreund, der
die Mission der Vereinten Nationen wie nur wenige andere
verkörperte.» Annan habe nie aufgehört, nach einer besseren Welt zu
streben. Ex-Präsident Bill Clinton nannte Annan einen «wahrlich
großen UN-Generalsekretär». Clintons Nachfolger George W. Bush
bezeichnete den Verstorbenen als unermüdliche Führungspersönlichkeit

der Vereinten Nationen. Seine Erfahrung werde weltweit fehlen.
Ex-Präsident Jimmy Carter zeigte sich in einer Mitteilung ebenfalls
tief betroffen.

Der amtierende US-Präsident Donald Trump hingegen äußerte sich
zunächst nicht, verfasste aber zahlreiche Tweets zu anderen Themen.
Auch vom Weißen Haus gab es keine Reaktion. Lediglich die
US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, meldete
sich zu Wort. Annan habe sich dafür eingesetzt, die Welt zu einem
friedlicheren Ort zu machen.

Spitzenvertreter der Europäischen Union zeigten sich ebenfalls
betroffen vom Tod Annans. «Die Welt trauert um eine große
Führungspersönlichkeit und einen Menschenfreund», schrieb
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Twitter. Juncker
nannte Annan einen alten Freund und eine Inspiration. Die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete Annan als «einen
der größten Männer unserer Zeit», der sein Leben der Verteidigung v
on
Frieden und Menschenrechten widmete. Auch Amnesty International hob
den Einsatz Annans für die Menschenrechte hervor.

Israel würdigte Annan als «einen Meister der vielseitigen Diplomatie«

und Kämpfer gegen die Leugnung des Holocausts. «Als
UN-Generalsekretär widerstand er der Delegitimierung Israels», hieß
es in einer Mitteilung des Außenministeriums am Samstag.

In seinen zehn Jahren an der Spitze der Vereinten Nationen galt Annan
als das moralische Gewissen der Welt. Er setzte sich mit Charisma und
diplomatischem Geschick für Arme und Unterdrückte ein, warb für
Frieden und Gerechtigkeit und bot den USA im Streit um den Irakkrieg
die Stirn.

Immer wieder bekam er aber auch die Ohnmacht der Weltorganisation zu
spüren. Sein letzter Einsatz wurde zu einem schweren Misserfolg. Fast
sechs Monate lang versuchte Annan als UN-Sondergesandter, eine Lösung
für den Syrienkonflikt zu finden und den Krieg zu einem Ende zu
führen. Doch die Interessensgegensätze der syrischen und
ausländischen Kriegsparteien waren zu groß.

Auch im Rahmen der von ihm gegründeten Stiftung setzte sich Annan für
Frieden und für eine nachhaltige Entwicklung in der Welt ein. «Der
Klimawandel bedroht uns alle», warnte Annan 2013. «Ich appelliere an
alle, an Regierungen, Institutionen, Zivilgesellschaft und jeden
Einzelnen, die Anstrengungen zu verdoppeln.»

Trauer herrscht auch in Annans Heimat Ghana. «Er hat unserem Land
durch sein Amt, sein Verhalten und sein Auftreten auf der Weltbühne
zu beträchtlichem Ansehen verholfen», erklärte Ghanas Präsident Nan
a
Akufo-Addo. Er ordnete an, dass die Nationalfahnen in Ghana und den
Botschaften weltweit von Montag an eine Woche auf halbmast wehen
sollen.