Scholz würdigt Erfolg der Griechenland-Rettung - ESM mahnt

19.08.2018 14:20

Es war eine Existenzkrise bis an den Rand der Staatspleite und des
Rauswurfs aus der Eurozone: Acht Jahre hing Griechenland am Tropf
internationaler Geldgeber. Und nun?

Athen (dpa) - Griechenland hat es nach acht Jahren erst einmal
geschafft: Das Ende der milliardenschweren Rettungsprogramme am
Montag sei ein «historischer Moment für Griechenland und ganz
Europa», erklärte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici am Wochenende.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem Erfolg.
Der Euro-Rettungsschirm ESM mahnte Athen aber zur strikten Erfüllung
aller Zusagen zur Spar- und Reformpolitik. Das hält auch die
griechische Notenbank für unabdingbar.

Scholz sagte dem «Handelsblatt» (Montag): «Die düsteren
Prophezeiungen der Untergangspropheten sind nicht eingetreten. Das
ist gut.» Den griechischen Bürgern gebühre für ihre großen
Anstrengungen Respekt. «Die Rettung Griechenlands ist aber auch ein
Zeichen europäischer Solidarität», fügte Scholz hinzu.

Am Montag endet das vorerst letzte Hilfsprogramm für Athen. Seit 2010
hatten die EU-Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF) das
überschuldete Euro-Land mit insgesamt 289 Milliarden Euro an
vergünstigten Krediten vor der Staatspleite bewahrt. Im Gegenzug
musste Athen harte Reformen, Sozialkürzungen sowie Steuererhöhungen
durchsetzen und sich verpflichten, daran festzuhalten.

«Die ESM-Mitgliedstaaten und der ESM als Institution nehmen die
Einhaltung von Zusagen sehr ernst», sagte der Chef des
Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, der Zeitung «Ethnos» und dem
Portal News 24/7 in Griechenland. Denn die Kreditgeber wollten ihr
Geld eines Tages zurück. «Deshalb werden wir die Entwicklung in
Griechenland sehr genau verfolgen.» Er verwies auf vereinbarte
engmaschige Kontrollen der Gläubiger alle drei Monate.

Die harten Kredit-Auflagen hatten seit 2010 zu massiven Konflikten
mit Athen geführt. Nach Widerstand der damals neuen Linksregierung
unter Ministerpräsident Alexis Tsipras stand das Land 2015 kurz vor
dem Ausscheiden aus der Eurozone. Doch rauften sich Griechenland und
die Geldgeber zusammen und legten das jetzt auslaufende dritte
Hilfsprogramm im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro auf.

Inzwischen verzeichnet Griechenland Haushaltsüberschüsse,
Wirtschaftswachstum und sinkende Arbeitslosigkeit und hofft, wieder
selbst an den Finanzmärkten Kredite aufnehmen zu können. Zu
vernünftigen Zinsen werde dies aber nur bei Einhaltung der mit den
EU-Partnern vereinbarten Sparmaßnahmen möglich sein, darunter weitere
Rentenkürzungen, sagte der griechische Notenbank-Chef Giannis
Stournaras der Athener Zeitung «Kathimerini»: «Uns steht noch ein
langer Weg bevor.»

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire meinte in der
Wochenzeitung «To Vima» ebenfalls: «Das was zählt ist, dass die
Reformen fortgesetzt werden.» Vor allem die Primärüberschüsse (oh
ne
Schuldendienst) von 3,5 Prozent jährlich bis 2022 und danach 2,2
Prozent bis 2060 müssten eingehalten werden. 

Einige Ökonomen zweifeln, ob die auf Jahrzehnte angelegten Ziele
realistisch sind. Der linke Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf
Hickel sieht angesichts eines Wachstums von nur knapp zwei Prozent
und einer Arbeitslosigkeit von nahezu 20 Prozent auch kaum Chancen
für eine eigenständige Zahlungsfähigkeit für neue Kredite. Grund de
r
schlechten Lage sei die von Geldgebern «aufoktroyierte
Austeritätspolitik», sagte Hickel dem «Neuen Deutschland» (Montag).


EU-Kommissar Moscovici würdigte die Entbehrungen der Griechen, die
wegen der Sparprogramme drastisch sinkende Renten und Einkommen
hatten hinnehmen müssen. Gleichzeitig zog Moscovici eine kritische
Bilanz der Rolle der europäischen Institutionen. «Acht Jahre Krise
sind viel zu lang», erklärte der Franzose am Wochenende. Die
Verantwortung trügen neben griechischen auch europäische Politiker.

Die Eurogruppe als Gremium unterliege keiner echten demokratischen
Kontrolle. «Ich selbst fühlte mich unwohl, wenn wir hinter
verschlossenen Türen über das Schicksal von Millionen Griechen
entschieden», meinte Moscovici. «Deshalb habe ich die Situation einen
demokratischen Skandal genannt.» Die Eurogruppe müsse
«demokratischer, transparenter und besser überwacht werden».