Griechenland verlässt Rettungsschirm

20.08.2018 03:30

Nach acht schmerzhaften Jahren wird Griechenland aus den
Finanz-Hilfsprogrammen entlassen. Ob das gut geht, ist unklar. In der
EU ist man optimistisch. Das eigentliche Urteil werden aber die
Geldmärkte fällen.

Athen/Brüssel (dpa) - Das hoch verschuldete Griechenland muss
erstmals seit mehr als acht Jahren ohne internationale Finanzhilfen
auskommen. Das Kreditprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM - das
dritte Hilfspaket für Athen seit 2010 - endet am Montag. In Athen
sind keine größeren Feierlichkeiten dazu geplant. Mit Spannung wird
jedoch eine Rede des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras
erwartet. Noch spannender wird aber sein, wie die Märkte in den
kommenden Monaten reagieren werden.

Eurogruppen-Chef Mario Centeno ist zuversichtlich, dass Griechenland
ohne weitere Hilfsprogramme finanziell auf eigenen Beinen stehen
kann. Ziel der Rettungsmaßnahmen und Reformen der vergangenen acht
Jahre sei eine neue Grundlage für gesundes Wirtschaftswachstum
gewesen, erklärte Centeno. «Es hat viel länger gedauert als gedacht,

aber ich glaube, wir haben es geschafft.» Die griechische Wirtschaft
wachse, es gebe Haushalts- und Handelsüberschüsse, und die
Arbeitslosigkeit sinke stetig.

Griechenlands ehemaliger Finanzminister Gianis Varoufakis sieht sein
Land noch nicht als gerettet an. «Griechenland steht am selben Punkt,
im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag tiefer darin.
Auch, weil die Sparvorgaben der Gläubiger Investitionen und den
Konsum behindern», sagte Varoufakis der «Bild»-Zeitung (Montag). Der

Staat sei aber noch immer pleite, die privaten Leute seien ärmer
geworden, Firmen gingen noch immer bankrott und das
Bruttosozialprodukt sei um 25 Prozent gesunken.

Nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)
ist Griechenland für deutsche Unternehmen als Markt wieder
interessant. «Das gute Ende der europäischen Hilfsprogramme ist ein
positives Signal für Griechenland selbst und die EU insgesamt», sagte
BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang der «Rheinischen Post»
(Montag). Griechenland könne dank europäischer Solidarität nach acht

Jahren wieder auf eigenen Beinen stehen.

Am Montag endet das vorerst letzte Hilfsprogramm für Athen. Seit 2010
hatten die EU-Partner und der Internationale Währungsfonds das
überschuldete Euro-Land mit insgesamt 289 Milliarden Euro an
vergünstigten Krediten vor der Staatspleite bewahrt.

Im Gegenzug musste Athen harte Reformen, Sozialkürzungen sowie
Steuererhöhungen durchsetzen und sich verpflichten, daran
festzuhalten. Damit konnte ein Ausstieg Griechenlands aus der
Eurozone verhindert werden. Zudem wurden zahlreiche Banken in der
Eurozone gerettet. Dorthin flossen nämlich die meisten Gelder, die
zur Rettung Griechenlands ausgezahlt wurden.

Es wird sich zeigen, zu welchen Konditionen sich Athen künftig
frisches Geld an den Märkten beschaffen kann. Die Urteile großer
Ratingagenturen zur Kreditwürdigkeit Griechenlands fielen zuletzt
positiver aus. Dies bedeutet in der Regel sinkende Kosten bei der
Schuldenaufnahme.

Zurzeit stehen die Zinsen für zehnjährige griechische Anleihen
deutlich über vier Prozent (Stand Freitag: 4,3 Prozent). Noch vor
einem Monat lagen sie bei 3,8 Prozent. Die kleinste internationale
Turbulenz, beispielsweise in Zusammenhang mit der Finanzlage in
Italien oder in der Türkei, hat Auswirkungen auf griechische
Staatsanleihen.

Nach mehreren Streitigkeiten über die Zweckmäßigkeit der
Sparprogramme setzte Athen in den vergangenen rund zweieinhalb Jahren
die Vorgaben weitgehend reibungslos um. Das Land hatte zuletzt Ende
Juni eine letzte Hilfstranche in Höhe von 15 Milliarden Euro
zugesprochen bekommen. Damit erhöhte sich der Kapitalpuffer auf rund
24 Milliarden Euro. Im äußersten Fall kann Griechenland sich damit
knapp zwei Jahre lang selbst finanzieren.

Doch die Auswirkungen der Sparprogramme sind gravierend: Die
Wirtschaftskraft des Landes hat deutlich abgenommen. Viele Einwohner
spüren bislang nichts von der Stabilisierung des Landes. Die meisten
Menschen haben rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Noch immer
ist jeder Fünfte arbeitslos, gut 400 000 gut ausgebildete meist junge
Menschen, darunter viele Ärzte und Ingenieure, sind ausgewandert. Die
Staatsverschuldung beträgt rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung -
der höchste Wert in Europa.

Athen wird auch nach dem Ende des Programms verstärkt von den
Euro-Partnern überwacht. Bis 2022 muss Griechenland im Haushalt einen
jährlichen Primärüberschuss - also ohne Zahlungen für den
Schuldendienst - von 3,5 Prozent erreichen. Daran sind weitere
Schuldenerleichterungen geknüpft. Zudem muss Athen bis 2060 einen
Primärüberschuss von 2,2 Prozent erzielen - ein Ziel, dessen
Umsetzung viele Experten als sehr schwierig bewerten.