EU feiert das Ende der Griechenland-Rettung

20.08.2018 14:29

Die letzten Hilfskredite sind überwiesen - von insgesamt 289
Milliarden Euro. Haben die internationalen Gläubiger Griechenland
wirklich gerettet? Oder kaputt gespart?

Brüssel (dpa) - Nach acht Jahren Griechenland-Krise haben die Spitzen
der Europäischen Union am Montag den Abschluss des letzten
Rettungsprogramms gefeiert. «Ihr habt es geschafft», twitterte
EU-Ratspräsident Donald Tusk und gratulierte dem griechischen Volk.
EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici sprach vom Ende einer
existenziellen Krise für die Eurozone. In Athen fielen ursprünglich
geplante Feiern allerdings aus. Deutsche Oppositionspolitiker
äußerten sich düster zur Zukunft des überschuldeten Euro-Landes.

Am Montag endete das 2015 aufgelegte Kreditprogramm des
Euro-Rettungsschirms ESM - das dritte Hilfspaket für Athen seit 2010.
Insgesamt flossen nach ESM-Angaben binnen acht Jahren 289 Milliarden
Euro vergünstigter Kredite an Athen - im Gegenzug für drastische
Reformen und Sozialkürzungen. Seither haben sich Haushaltsdefizit,
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung verbessert, doch lastet ein
Schuldenberg von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dem Land.
Die Gläubiger wollen mit strikten Kontrollen eine Abkehr von der
Reformpolitik verhindern. Schon in der Woche ab dem 10. September
sollen wieder Experten der Kreditgeber nach Athen reisen.

Griechische Medien kommentierten das Auslaufen des letzten
Hilfsprogramms deshalb am Montag gemischt. Zwar ende nun der
«Alptraum der Hilfsprogramme», titelte das regierungsnahe Blatt
«Kontra News». Oppositionszeitungen verwiesen aber auf die weiter
laufenden Kontrollen: Von einer Entlassung «mit elektronischer
Fußfessel», schrieb die konservative Zeitung «Phileleftheros».

Ministerpräsident Alexis Tsipras hielt sich zunächst zurück und
stellte lediglich eine Ansprache an das Volk in Aussicht.
Ursprünglich geplante Feierlichkeiten unterhalb der Akropolis wurden
laut Medienberichten wegen der Brand-Tragödie mit mindestens 96
Opfern im Osten Athens am 23. Juli aufgegeben.

Mit Spannung wurde erwartet, ob und wie sich Griechenland nun wieder
an den Finanzmärkten Geld leihen kann. Eurogruppen-Chef Mario Centeno
gab sich zuversichtlich, dass das Land ohne weitere Hilfsprogramme
finanziell auf eigenen Beinen stehen kann. Auch Finanzkommissar
Moscovici betonte, die von den Geldgebern geforderten Reformen hätten
die Wirtschaft, die öffentliche Verwaltung und die Sozialsysteme in
Griechenland modernisiert. Darauf müsse man nun aufbauen.

Nicht nur deutsche Unternehmen hoffen, dass Griechenland nun auch als
Markt wieder interessant wird. Der Hauptgeschäftsführer des
Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, nannte das Ende
des Hilfsprogramms in der «Rheinischen Post» ein positives Signal.

Ganz anders Griechenlands ehemaliger Finanzminister Gianis
Varoufakis, der in der «Bild»-Zeitung klagte: «Griechenland steht am

selben Punkt, im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag
tiefer darin.» Der Staat sei noch immer pleite, die privaten Leute
seien ärmer geworden, Firmen gingen noch immer bankrott und das
Bruttosozialprodukt sei um 25 Prozent gesunken.

Auch der deutsche Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich
meinte: «Für die Griechen ändert sich wenig, die
Rezessions- und Verarmungspolitik ist auf Jahrzehnte
festgeschrieben.» Parteichef Bernd Riexinger verlangte weitere
Schuldenerleichterungen für Athen.

Die Fraktionschefin der Alternative für Deutschland, Alice Weidel,
warf Centeno vor, «Fake News» zu verbreiten. «Griechenland ist nicht

gerettet» meinte auch sie. «Auch die bisher geflossenen 289
Rettungsmilliarden werden die Gläubiger absehbar nicht wiedersehen.»
Die liberale Denkfabrik cep äußerte ihrerseits Zweifel an der
Kreditfähigkeit Griechenlands.

Große Ratingagenturen hatten die Kreditwürdigkeit Griechenlands
zuletzt positiver bewertet. Dies bedeutet in der Regel sinkende
Kosten bei der Schuldenaufnahme. Kleinste Turbulenzen wie etwa die
Türkei-Krise können aber auch Griechenland in Mitleidenschaft ziehen.
Das Land kann sich allerdings Zeit lassen: Es verlässt den
Rettungsschirm mit Rücklagen von rund 24 Milliarden Euro und könnte
sich notfalls knapp zwei Jahre lang selbst finanzieren.

Die Auswirkungen der Sparprogramme sind gravierend. Viele Einwohner
spüren nichts von der Stabilisierung des Landes. Die meisten Menschen
haben rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Noch immer ist
jeder Fünfte arbeitslos, gut 400 000 gut ausgebildete meist junge
Menschen, darunter viele Ärzte und Ingenieure, sind ausgewandert.

Den Gläubigern musste Athen versprechen, bis 2022 im Haushalt einen
jährlichen Primärüberschuss - also ohne Zahlungen für den
Schuldendienst - von 3,5 Prozent erreichen. Bis 2060 sollen dann
jährlich 2,2 Prozent erzielt werden.