EU-Kommission billigt Linde-Fusion mit Praxair unter Auflagen

20.08.2018 16:54

Der Industriegasekonzern kommt dem milliardenschweren Zusammenschluss
mit Praxair einen großen Schritt näher: Brüssel gibt grünes Licht -

verlangt aber Zugeständnisse.

München/Brüssel (dpa) - Der Industriegasekonzern Linde kommt bei der
geplanten milliardenschweren Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair
voran. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission billigen den
anvisierten Zusammenschluss zu einem neuen Branchenriesen, wie die
Behörde am Montag in Brüssel mitteilte. Allerdings verlangen sie die
Erfüllung von Auflagen. So muss Praxair sein gesamtes Gasgeschäft im
Europäischen Wirtschaftsraum verkaufen und seine Beteiligung an dem
italienischen Gemeinschaftsunternehmen Siad abgeben. Zudem sollen
Helium-Bezugsverträge veräußert werden.

In der angemeldeten Form hätte die Fusion zu einer signifikanten
Verringerung der Zahl der geeigneten alternativen Anbieter geführt
und damit potenziell zu Preiserhöhungen, erklärte die EU-Kommission.
Gase wie Helium und Sauerstoff kämen bei einer Vielzahl von Produkten
zum Einsatz, etwa in der Stahlproduktion und in Krankenhäusern,
erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. «Weltweit gibt es
nur sehr wenige Unternehmen, die alle diese Gase liefern können.» Die
nun von Linde und Praxair angebotenen Verpflichtungen räumten die
wettbewerbsrechtlichen Bedenken aus.

In trockenen Tüchern ist der geplante Zusammenschluss damit aber noch
nicht. Vor allem die US-Wettbewerbsbehörde FTC, aber auch
Kartellwächter in Brasilien, Argentinien, Südkorea, Indien und China
müssen grünes Licht geben, damit der Deal gelingt. An der Börse
legten Linde-Aktien nach der Nachricht aus Brüssel nur kurz zu.

Linde hatte Anfang August mitgeteilt, dass die FTC weitere
Veräußerungen von Geschäften fordert. Für solche Verkäufe hatten

Linde und Praxair eine Grenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatzvolumen
vereinbart. Die Schwelle könnte überschritten werden, hieß es damals.

Mit den Amerikanern laufen nun Verhandlungen. Linde wollte sich am
Montag nicht weiter äußern. Die Zeit drängt: Laut Wertpapiergesetz
muss die Fusion spätestens am 24. Oktober unter Dach und Fach sein.

Mit dem Zusammenschluss wollen Linde und Praxair den weltgrößten
Gasehersteller schmieden - noch vor dem französischen Konkurrenten
Air Liquide. Mit 80 000 Mitarbeitern und 28 Milliarden Euro
Jahresumsatz würde das neue Unternehmen ein Viertel des Weltmarkts
beherrschen. Praxair ist Marktführer in den USA, Linde stark in
Europa und Asien, im US-Medizingeschäft und im Anlagenbau.

Linde und Praxair hatten bereits Geschäfte verkauft, um den
Wettbewerbshütern entgegenzukommen: Während Praxair einen Großteil
seines Europa-Geschäfts an den japanischen Konkurrenten Taiyo Nippon
Sanso veräußerte, verkaufte Linde den Löwenanteil seiner US-Geschäf
te
an die deutsche Gesellschaft Messer und den Finanzinvestor CVC.

Der Dax-Konzern beschäftigt 58 000 Menschen weltweit und produziert
Kohlensäure etwa für Bier und Sprudel, Sauerstoff für Klinikpatienten

und Anlagen für die Petrochemie. Mit der Fusion wollen die beiden
Konzerne Größenvorteile heben und höhere Gewinnmargen erzielen. Linde

und Praxair rechnen mit Synergien von 1,1 Milliarden Euro jährlich.

Arbeitnehmervertreter sehen die Fusion kritisch. Die Gewerkschaft IG
Metall fürchtet den Abbau von bis zu 10 000 Jobs und bangt um
Mitbestimmungsrechte, sollte die neue Linde plc wie geplant ihren
Sitz in Dublin beziehen und von Praxair-Chef Steve Angel geführt
werden. Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle hatte sich dagegen
optimistisch gezeigt, dass mit dem Deal neue Arbeitsplätze entstehen.