Deutschland und Frankreich machen weiter Druck auf Polen

18.09.2018 17:22

Die Justizreformen in Polen werden von vielen EU-Partnern als
unvereinbar mit europäischen Werten angesehen. Deutschland und
Frankreich zeigen sich bei einem Ministertreffen erneut kampfbereit.
Doch reicht das?

Brüssel (dpa) - Deutschland und Frankreich wollen an dem
EU-Strafverfahren gegen Polen festhalten. Der Dialog mit der
Regierung in Warschau habe bisher nicht zu substanziellen
Fortschritten geführt, erklärten die beiden Länder am Dienstag in
einer gemeinsamen Stellungnahme bei einer Anhörung Polens im
EU-Ministerrat im Brüssel. Die Bedenken wegen der polnischen
Justizreformen bestünden fort.

Mit dem EU-Strafverfahren, das im letzten Schritt sogar mit einem
Entzug der EU-Stimmrechte enden könnte, soll die polnische Regierung
dazu bewegt werden, Änderungen an ihren Reformen vorzunehmen. Diese
führen nach Einschätzung von Rechtsexperten des Europarates in der
Summe zu direkter Abhängigkeit der Justiz von der parlamentarischen
Mehrheit und dem Präsidenten der Republik.

Konkrete Kritik gibt es beispielsweise an der Absenkung des
Pensionsalters für die Richter des Obersten Gerichtshof von 70 auf 65
Jahre. Dieser Schritt ermöglicht es der polnischen Politik,
missliebige ältere Richter aus dem Dienst zu entfernen. Seit der
Absenkung des Rentenalters sei die Situation dringlicher denn je
geworden, heißt es in der deutsch-französischen Stellungnahme, die
von dem deutschen Staatsminister Michael Roth (SPD) vorgetragen
wurde.

Die Anhörung am Dienstag war bereits die zweite, der sich Polen im
Rahmen des Strafverfahrens stellen musste. Mit ihr sollte dem Land
noch einmal die Gelegenheit gegeben, auf noch offene Fragen der
EU-Partner zu antworten. Der polnische Europaminister Konrad
Szymanski hatte sich allerdings bereits zu Beginn uneinsichtig
gezeigt. «Es wäre gut, wenn dieses Thema beendet würde», kommentier
te
er. Die Regierung sei gewillt, die vom polnischen Parlament
beschlossenen Reformen zu verteidigen.

Die Anhörung Polens ist Voraussetzung dafür, dass per Abstimmung
offiziell festgestellt werden kann, dass in Polen die «eindeutige
Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung» von EU-Werten besteht. Dafür
müssten 22 der 28 EU-Staaten zustimmen.

Dass es die notwendige Mehrheit bereits gibt, gilt allerdings als
unwahrscheinlich, da Großbritannien sowie andere mittel- und
osteuropäische Länder dem Strafverfahren kritisch gegenüberstehen.
Noch schwieriger sind dann die weiteren Etappen des Verfahrens, das
in der Geschichte der EU noch nie zur Anwendung gekommen ist.

In einem nächsten Schritt müssten die polnischen EU-Partner dann
sogar einstimmig feststellen, dass eine «schwerwiegende und
anhaltende Verletzung» der Werte tatsächlich vorliegt. Erst danach
könnte mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschlossen werden,
die Stimmrechte Polens in der EU auszusetzen. Das würde in diesem
Fall die Zustimmung von mindestens 20 Staaten mit mindestens 65
Prozent der EU-Bevölkerung erfordern.