May leitet schwierige Kabinettssitzung vor EU-Gipfel zu Brexit

16.10.2018 10:44

Die britische Premierministerin Theresa May will ihre Minister für
einen Brexit-Kompromiss mit Brüssel gewinnen. Widerstand formierte
sich bereits.

London (dpa) - Einen Tag vor dem möglicherweise entscheidenden
EU-Gipfel zum Brexit trifft sich am Dienstag das britische Kabinett
in London. Premierministerin Theresa May will ihre Minister auf einen
Kompromiss bei den Brexit-Gesprächen vorbereiten. Sie muss jedoch mit
heftigem Widerstand rechnen.

Medienberichten zufolge trafen sich mehrere Minister am Montagabend
zum Pizza-Essen, um eine gemeinsame Strategie gegen May zu
vereinbaren. Bei dem Treffen waren Berichten zufolge unter anderem
Brexit-Minister Dominic Raab, Außenminister Jeremy Hunt und
Umweltminister Michael Gove dabei.

Bereits am Wochenende hatte es Gerüchte gegeben, bis zu vier
Kabinettsmitglieder könnten zurücktreten, sollte die Regierungschefin
der EU zu weit entgegenkommen. Das scheint dem Vernehmen nach nun
vorerst abgewendet. Doch die Hoffnungen, dass bereits beim Gipfel am
Mittwoch ein Abkommen zustande kommt, sind stark gedämpft.

Ursprünglich hatte EU-Ratschef Tusk erklärt, weitere
Brexit-Verhandlungen und ein Sondergipfel zum Abschluss Mitte
November hätten nur Sinn, wenn bis Mitte Oktober «maximaler
Fortschritt» erreicht sei. Ob dies geschafft ist, soll der EU-Gipfel
ab Mittwoch feststellen. Bislang sieht es nicht danach aus.

Noch am Wochenende hatte es den Anschein, als ob eine Einigung in
greifbarer Nähe. Doch trotz intensiver Verhandlungen gingen der
britische Brexit-Minister Dominic Raab und EU-Unterhändler Michel
Barnier am Sonntag ohne eine Einigung auseinander.

May hatte sich trotz eines Rückschlags bei den Verhandlungen am
Montag im Parlament optimistisch geäußert. Es sei immer noch möglich,

dass ein Abkommen erreicht werde, sagte sie vor überwiegend
skeptischen Parlamentariern. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte
dagegen gewarnt, ein Brexit ohne Abkommen sei «wahrscheinlicher denn
je».

Die wichtigste Hürde ist immer noch die Frage, wie Kontrollen an der
künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem
britischen Nordirland vermieden werden können. Befürchtet wird, dass
eine harte Grenze den Konflikt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion
wieder aufflammen lassen könnten. Um das auf jeden Fall zu
verhindern, fordert Brüssel eine Notfallklausel, den sogenannten
Backstop.

Den Backstop-Vorschlag aus Brüssel, Nordirland im Notfall in Teilen
des Europäischen Binnenmarkts und der Zollunion zu belassen, hat
London abgelehnt. Stattdessen zeichnet sich ab, dass Großbritannien
als Ganzes in der Zollunion bleiben könnte, bis eine bessere Lösung
gefunden wird. Das wollen die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer
Partei aber nur mit einem konkreten Ablaufdatum akzeptieren. Für
Brüssel hingegen kommt nur eine Lösung infrage, die zeitlich
unbgegrenzt ist.

Großbritannien verlässt die EU am 29. März 2019. Sollte bis dahin
kein Abkommen über den Austritt geschlossen sein, droht ein
ungeregeltes Ausscheiden mit drastischen Konsequenzen für die
Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbereichen.