EU sieht schwere Verstöße Italiens gegen Haushaltsregeln

18.10.2018 19:29

Sowas gab es noch nie, meint die EU-Kommission: Italiens umstrittene
Schuldenpläne weichen komplett von Stabilitätsregeln ab. Aber kann
die Warnung aus Brüssel Roms Populisten umstimmen?

Brüssel/Rom (dpa) - Die EU-Kommission sieht im Haushaltsentwurf der
italienischen Regierung schwere Verstöße gegen die Regeln der
Euro-Zone. Die Pläne zur Neuverschuldung seien eine «noch nie
dagewesene» Abweichung von den Kriterien des Stabilitätspaktes, heißt

es in einem Brief von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der
am Donnerstag an Rom ging. Darin ist von einer «besonders schweren
Zuwiderhandlung» die Rede. Italiens Finanzminister Giovanni Tria muss
nun bis zum Montag der Kommission antworten.

Die populistische Regierung aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung
und rechter Lega will die Neuverschuldung weiter ausbauen, obwohl das
Land so hoch verschuldet ist wie kaum ein anderes auf der Welt.
Das Thema sorgt schon seit Wochen für Spannung zwischen Rom und
Brüssel.

Dabei geht es auch um eine Grundsatzdebatte, ob in der EU vereinbarte
Regeln eingehalten werden. Beim EU-Gipfel in Brüssel warnte der Chef
der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, nach Angaben von
Teilnehmern, das Infragestellen von internen Regeln der EU könne
Bedingungen für die Finanzbranche verschlechtern. Auch führe die
Missachtung der Regeln nicht zu Wohlstand, sondern habe einen hohen
Preis für alle Akteure.

Moscovici sagte bei einem Besuch in Rom, man müsse den Konflikt mit
Italien «nun mit ruhig Blut angehen». Die Regierung hält sich zwar an

die nach den EU-Regeln für die Währungsunion erlaubte Obergrenze der
Neuverschuldung von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Weil das
Land jedoch viel mehr Schulden aufgehäuft hat als erlaubt - gut 130
statt höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - muss Italien
nach früheren Beschlüssen viel strengere Defizitwerte einhalten. Die
Vorgängerregierung hatte ein Defizit von nur 0,8 Prozent der
Wirtschaftsleistung versprochen; die neue Koalition peilt nun 2,4
Prozent an.

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte sieht allerdings
keinen Grund, sich Sorgen zu machen. «Wir wussten, dass dieser
Haushalt, den wir für die (...) Bedürfnisse der italienischen Bürger

gemacht haben, nicht mit den Erwartungen der EU-Kommission
übereinstimmt», erklärte er auf Facebook. Man sei bereit, auf die
Kritik aus Brüssel zu antworten. Der Haushalt sei «gut durchdacht,
gut aufgebaut und gut ausgeführt» und würde wirtschaftliches Wachstum

bringen.

Unter anderem Steuererleichterungen und ein Bürgereinkommen für alle
sind Teil des Haushaltsplans. Vize-Premier Luigi Di Maio von der
Sterne-Bewegung erklärte, man wolle sich nicht von Europa belehren
lassen. «Kommt hierher zu den Leuten und doziert nicht von Brüssel
aus mit Briefen.»

An den Finanzmärkten sorgte der Haushaltsstreit jedoch für starke
Verunsicherung. Die Rendite von zehnjährigen italienischen Anleihen
legte um 0,14 Prozentpunkte auf 3,78 Prozent zu. Der Risikoaufschlag
(Spread) zu deutschen Bundesanleihen erreichte so den höchsten Stand
seit 2013.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in Brüssel, Italien
sei in den vergangenen Jahren das einzige Land gewesen, das alle
Möglichkeiten im Euro-Stabilitätspakt zur Flexibilität ausgeschöpft

habe. Deshalb sei der EU-Kommission oft vorgeworfen worden, zu
großzügig mit Rom zu sein. «Wir waren sehr freundlich, mild und
positiv, wenn es um Italien ging. Weil Italien Italien ist.»

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem EU-Gipfel, dass
zwischen Italien und der Kommission ein «redlicher und guter Dialog»

notwendig sei - und sie hoffe auf ein gutes Ergebnis.