Kandidaten-Kür vor Europawahl: Wer kann Juncker nachfolgen?

19.10.2018 14:13

Bei der Europawahl im kommenden Jahr wird nicht nur über die
Besetzung des Parlaments entschieden - sondern auch über die des
höchsten Amts in der EU. Wer sind die Männer, die
Kommissionspräsident werden wollen?

Brüssel (dpa) - Noch ist EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
im Amt, doch das Rennen um seine Nachfolge hat längst begonnen. Nun
stehen die Bewerber für die Spitzenkandidatur der beiden größten
Parteienfamilien in Europa fest - der konservativen EVP und der
sozialdemokratischen SPE. Wer bei der Europawahl am 26. Mai 2019 die
größte Fraktion hinter sich vereint, hat gute Chancen auf das
mächtigste EU-Amt.

MANFRED WEBER (46), EVP

Er ist der wohl aussichtsreichste Bewerber im Rennen - allein schon,
weil der CSU-Mann seit 2014 die größte Fraktion im EU-Parlament
anführt. Weber gilt als leiser und akribischer Arbeiter. In den
Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die
Unionsparteien angehören, kann der Niederbayer auf breiten Rückhalt
zählen. Mehrere Regierungschefs und Oppositionsführer haben sich
zudem bereits öffentlich hinter ihn gestellt. Da die Konservativen
wohl auch nach der Europawahl stärkste Fraktion bleiben dürften,
hätte der verheiratete Katholik beste Aussichten auf das
Präsidentenamt. Gegen Weber spricht indes, dass er - anders als
frühere Kommissionspräsidenten - nie Regierungschef oder Minister
eines Landes war.

ALEXANDER STUBB (50), EVP

Auf den ersten Blick ist der weltgewandte Finne der absolute
Gegenentwurf zu Weber. Zwar ist der charismatische Marathonläufer
vier Jahre älter als sein Konkurrent, dennoch wirkt er nach außen
jugendlicher und frischer - und bedient damit die Hoffnung mancher
auf einen echten Aufbruch nach der Ära des EU-Urgesteins Juncker.
Zudem ist Stubbs Lebenslauf bereits jetzt reich an
verantwortungsvollen Posten: Ex-Regierungschef, Ex-Parteichef,
Ex-Außenminister, Ex-Europaminister, Ex-Finanzminister. Politisch
unterscheidet sich Stubb, der fließend Deutsch spricht, indes kaum
von Weber. Er verortet sich lediglich «ein kleines bisschen weiter
mitte-links».

Die Entscheidung zwischen beiden EVP-Bewerbern fällt am 8. November
auf einem Parteikongress in Helsinki.

FRANS TIMMERMANS(57), SPE

Vize ist er schon, nun will Frans Timmermans auch die Nummer eins in
der EU-Kommission werden. Der Niederländer beherrscht sieben Sprachen
und bewegt sich dank seiner großen Erfahrung mühelos im komplexen
EU-Gefüge. Der Bilderbuch-Europäer wuchs in Paris, Brüssel, Rom und
im niederländischen Heerlen auf. Als erster Stellvertreter Junckers
kämpfte er in den vergangenen Jahren - vor allem im Streit mit Polen
um die Missachtung von EU-Grundwerten - immer wieder vehement für den
Rechtsstaat.

MAROS SEFCOVIC (52), SPE

Nur Außenseiterchancen werden Timmermans' innerparteilichem
Konkurrenten Maros Sefcovic eingeräumt. Der Slowake ist aktuell
ebenfalls Vize-Präsident der Kommission und als solcher vor allem für
Energiethemen zuständig. Zuvor war der Vater dreier Kinder unter
anderem EU-Botschafter seines Landes in Brüssel sowie Botschafter in
Israel. Als Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas
(SPE) - der auch die SPD angehört - wolle er die Spaltung zwischen
Arm und Reich, aber auch zwischen Ost und West überwinden und Brücken
bauen, sagte Sefcovic: «Alles in allem sehe ich unser Europa als
zuversichtlich und stolz, intelligent und grün, sozial gerecht und
solidarisch.»

Die Entscheidung, wer für die Sozialdemokraten ins Rennen geht, fällt
bei einem Partei-Kongress im Dezember.