Haushaltsstreit zwischen EU und Italien spitzt sich zu

19.10.2018 20:02

Mit seinen Haushaltsplänen verprellt Italien zusehends die Partner
innerhalb der EU. Die Unsicherheit wächst - auch, weil die
italienische Krise zunehmend auf andere Märkte überschwappt. In
anderen Ländern sieht die EU-Kommission ebenfalls Ungereimtheiten.

Brüssel/Rom (dpa) - Der sich zuspitzende Haushaltsstreit zwischen
Italien und der EU-Kommission sorgt zunehmend für Nervosität
innerhalb der Union und an den Finanzmärkten. Österreichs
Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte die Regierung in Rom am Freitag
mit scharfen Worten zur Einhaltung der EU-Schuldenregeln auf.
Unterdessen gerieten nicht nur italienische Anleihen unter Druck.

«Die Europäische Union ist eine Wirtschafts- und eine
Wertegemeinschaft, und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln
gibt, an die sich alle halten müssen», sagte Kurz am Rande des
Asien-Europa-Gipfels in Brüssel. «Wenn man diese Regeln bricht (...),
dann bedeutet das, dass Italien sich selbst gefährdet, aber natürlich
auch darüber hinaus andere mit gefährdet. Wir sind als Europäische
Union nicht gewillt, dieses Risiko, diese Schulden für Italien zu
übernehmen.»

Kurz reagierte damit auf die am Donnerstag veröffentlichte Bewertung
des italienischen Haushaltsentwurfs durch die EU-Kommission. Die für
die Einhaltung von EU-Regeln zuständige Behörde beklagt darin schwere
Verstöße gegen die Regeln der Eurozone. Die Pläne zur Neuverschuldung

seien eine «noch nie da gewesene» Abweichung von den Kriterien des
Stabilitätspaktes, schrieben die zuständigen EU-Kommissare.

Nach dem Bekanntwerden der EU-Kritik hatte der Euro am Donnerstag an
Wert verloren - am Freitag stabilisierte sich der Kurs vorerst
wieder. Allerdings stiegen die Risikoaufschläge für italienische
Staatsanleihen kräftig an. Unter Druck standen auch Papiere anderer
südeuropäischer Länder. Beobachter verwiesen nicht nur auf den sich
abzeichnenden Konflikt zwischen der EU und Italien wegen der
Schuldenpläne, sondern auch auf Streitereien innerhalb der Regierung
in Rom, die aus der rechtsnationalen Lega und der populistischen
Fünf-Sterne-Bewegung besteht. Fachleute sprachen zudem von einem
zunehmenden Überschwappen der italienischen Krise auf andere Märkte.

Italiens Finanzminister Giovanni Tria muss nun bis Montag der
Kommission antworten. Die Regierung will sich zwar an die nach den
EU-Regeln für die Währungsunion erlaubte Obergrenze der
Neuverschuldung von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung halten. Weil
das Land jedoch einen riesigen Schuldenberg angehäuft hat - gut 130
statt höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - muss es nach
früheren Beschlüssen viel strengere Werte einhalten. Die
Vorgängerregierung hatte ein Defizit von 0,8 Prozent versprochen, die
neue Koalition peilt nun 2,4 Prozent an.

Die EU-Kommission sieht aber auch in den Haushaltsplänen anderer
Staaten Ungereimtheiten. Am Freitag verschickte sie entsprechende
Briefe an Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Slowenien. Die
Länder müssen nun zusätzliche Informationen übermitteln.

Mit Blick auf Italien sagte Stefan Gebauer vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW), die EU sollte nicht nur auf die Höhe der
geplanten Neuverschuldung schauen, sondern auch die Möglichkeit
berücksichtigen, mit den vorgesehenen Maßnahmen Wirtschaftswachstum
zu generieren. Zwar eigneten sich demnach Pläne wie die Einführung
des Bürgereinkommens wenig, um Probleme wie die hohe Instabilität des
Bankensektors oder die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. «Die
zusätzlichen Ausgaben etwa zur Förderung von Investitionen eignen
sich dagegen durchaus, das Wirtschaftswachstum zu beleben.» Dafür
müsse es aber auch entsprechende Strukturreformen geben.