Schulterschluss in Zeiten Trumps: Europa und Asien rücken zusammen Von Verena Schmitt-Roschmann und Michel Winde, dpa

19.10.2018 17:29

Die EU und Asien wollen ihre Kräfte bündeln. Beim Asem-Gipfel in
Brüssel ist klar: Hier suchen zwei starke Weltregionen den
Brückenschlag. Richtet sich das gegen US-Präsident Trump?

Brüssel (dpa) - Nach den Breitseiten von US-Präsident Donald Trump
gegen Freihandel, Klimaschutz und internationale Verträge versuchen
Europa und Asien gemeinsam, die traditionelle Weltordnung zu retten.
Beim Asem-Gipfel in Brüssel stellten sich mehr als 50 Länder am
Freitag ausdrücklich hinter das Prinzip der Zusammenarbeit nach
allseits akzeptierten Spielregeln.

«Der Gipfel zeigt, dass sich hier Länder versammeln aus Europa und
Asien, die alle einen regelbasierten Welthandel wollen, sich zum
Multilateralismus bekennen», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
«Wir können ein Zeichen setzen, dass es in der Welt darum geht,
Win-win-Situationen zu schaffen.» EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker sagte es so: «Wir sind der Auffassung, dass nur ein
multilateraler Ansatz es möglich macht, die globalen Probleme zu
bewältigen.»

Beim Gipfel kamen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union mit Spitzenpolitikern aus China, Russland, Australien, Japan
und weiteren asiatischen Ländern zusammen. Gemeinsam haben die
Asem-Staaten 55 Prozent des weltweiten Handelsvolumens, 60 Prozent
der Bevölkerung und 65 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.

«Zusammen stehen wir für eine wirkliche globale Macht», sagte die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Auch Merkel hob angesichts
der geballten Wirtschaftskraft der Staatengruppe die Bedeutung des
zweitägigen Asem-Treffens hervor. «Unser Thema ist: Verbindungen
schaffen», sagte Merkel. Einer der am meisten bemühten Begriffe auf
der Konferenz war: Multilateralismus - also die internationale
Zusammenarbeit in Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der
Welthandelsorganisation WTO.

Dass das der Gegenentwurf zu Trumps Prinzip «America first» sein
soll, wollte zwar offen niemand sagen. Mogherini wiegelte gleich zu
Beginn am Donnerstag ab: «Wir organisieren keine Treffen gegen
irgendjemanden.»

Aber auch die Abschlusserklärung, die immerhin einen Konsens der
Teilnehmer spiegelt, las sich wie ein Bekenntnis zu allem, was der
US-Präsident in den vergangenen Monaten einseitig in Frage gestellt
oder verworfen hatte: Rückendeckung für UN und WTO, für den
Freihandel, für das Pariser Klimaabkommen, für das Atom-Abkommen mit
dem Iran. «Europa und Asien haben vereinbart, unsere Unterstützung
für die regelbasierte internationale Ordnung zu erneuern», twitterte
EU-Ratschef Donald Tusk, der den Vorsitz führte.

Wie viel von diesem gewünschten Signal nach Washington drang, ist
allerdings fraglich. Der Gipfel spielte in der amerikanischen
Hauptstadt keine Rolle. Eine Reaktion der US-Regierung gab es nicht.

Auch sind sich die Partner, die in Brüssel den Schulterschluss
probten, keineswegs in allem einig - im Gegenteil. Die Europäer
sorgen sich wegen Verstößen gegen Menschenrechte in Ländern wie China

oder Russland. Kanzlerin Merkel wollte das nach eigenem Bekunden in
ihren Einzelgesprächen am Rande des Gipfels ansprechen. Sie traf sich
unter anderen mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew
und dem chinesischen Regierungschef Li Keqiang.

Das hohe Lied auf den freien Handel und offene Märkte klingt
ebenfalls nicht immer glaubwürdig, zumal Europäer zum Beispiel China
gerne Abschottung oder Auftragsvergabe ohne Ausschreibung vorhalten.
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz sagte, auch in Asien gebe
es Staaten, «die sehr protektionistisch agieren». Tusk verpackte die
offenkundigen Interessenunterschiede beider Weltregionen in die
Formel: «Wir stimmen nicht in in allem überein, aber was wir
gemeinsam haben, ist viel wichtiger als jede Unstimmigkeit.»

Ausgesprochen hoffnungsvoll äußerte sich am Ende die südkoreanische
Außenministerin Kang Kyung Wha über die Friedensaussichten auf der
koreanischen Halbinsel, die auf ganz Asien positiv durchschlagen
dürften. Die Situation sei völlig anders als noch vor einem Jahr,
sagte sie. «Wir sind definitiv auf dem richtigen Weg.» Die
Denuklearisierung und die Friedenslösung werde kommen.

Und so fand sich doch noch ein Thema, bei dem offenbar alle mit den
USA ohne Vorbehalte an einem Strang ziehen. Die Asem-Schlusserklärung
lobt ausdrücklich die von Trump mit dem nordkoreanischen Machthaber
Kim Jong Un ausgehandelte Erklärung von Singapur, die dieselben Ziele
verfolgt.