Mehr Macht für die PiS? Polnische Regionalwahlen als Stimmungstest Von Natalie Skrzypczak, dpa

21.10.2018 06:00

Die Regionalwahlen in Polen können Jaroslaw Kaczynskis umstrittene
PiS-Partei laut Umfragen weiter stärken. Experten sehen die Wahl
sogar als Wegweiser für den politischen Kurs des Landes.

Warschau (dpa) - Ungeachtet ihres strikten EU-Konfrontationskurses
kann die polnische Regierungspartei PiS auf noch mehr politische
Macht hoffen. Bei den landesweiten Regionalwahlen am Sonntag winken
ihr Umfragen zufolge weitere Zugewinne - die Abstimmungen gelten als
wichtiger Stimmungstest für den weiteren politischen Weg Polens. «Die
Wahlen haben eine niedagewesene Bedeutung», sagt der renommierte
Soziologe Janusz A. Majcherek von der Universität Krakau zur
anstehenden Neubesetzung von Posten Zehntausender Lokalpolitiker -
vom Bürgermeister bis zum Gemeinderat. «Setzt sich die PiS durch, ist
von der Fortsetzung ihres autoritären Kurses auszugehen.»

Die PiS, die seit 2015 bereits mit absoluter Mehrheit auf nationaler
Ebene regiert, steht europaweit unter anderem wegen erheblicher
Einschnitte in die Unabhängigkeit der Justiz in der Kritik. Gegen die
umstrittenen Zwangspensionierungen von Richtern klagt die
EU-Kommission gar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Trotz des Zwists mit vielen EU-Partnern wollen bei den Regionalwahlen
laut einer Umfrage des Instituts CBOS rund 29 Prozent der Polen für
die Partei von Jaroslaw Kaczynski stimmen. Die Wahl von Vertretern
für Gemeinden, Kreise und die Regionalparlamente der 16
Wojewodschaften stellt in Polen den Auftakt eines regelrechten
Abstimmungsmarathons dar: 2019 folgen Europa- und Parlamentswahlen,
2020 dann die Präsidentschaftswahlen.

Politische Kommentatoren in Polen schätzen, dass die PiS, die bisher
nur in einem Regionalparlament regiert, diese Zahl nun auf bis zu
sieben steigern kann. «Die Institutionen der territorialen
Selbstverwaltung sind die letzten, die sich die PiS bisher nicht
unterordnen konnte», urteilt Majcherek in einer Analyse für das
Deutsche Polen-Institut in Darmstadt. Auf nationaler Ebene krempelt
die PiS das Land bereits seit längerem nach ihren Vorstellungen um
und peitscht umstrittenste Reformen mühelos durchs Parlament.

Dem kann die zerstrittene Opposition, der Kritikern zufolge eine
programmatische Linie fehlt, kaum etwas entgegensetzen. Landesweit
wollen Vorwahlerhebungen zufolge nur 16 Prozent der Polen für die
Oppositionsparteien PO und Nowoczesna, die bei der Wahl gemeinsam
antreten, stimmen. Damit sehen sie selbst mit vereinten Kräften
schwach gegen die PiS aus.

Machtlos gegen die Warschauer Regierung erwies sich bisher auch die
EU-Kommission, die neben der EuGH-Klage ein Sanktionsverfahren wegen
Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt. «Polen steuert auf
einen Polexit zu», warnen PiS-Gegner. Die Nationalkonservativen sehen
sich gleichwohl im Recht. «Die Mehrheit der Polen will die
Justizreformen», argumentiert Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dass
die PiS drei Jahre nach ihrem Wahlsieg die Position als stärkste
Partei Polens halten kann, liegt allerdings nicht an einer
Europaskepsis der Polen. Mehr als 80 Prozent der Menschen befürworten
laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Millward Brown für
den Sender TVN24 die EU-Mitgliedschaft.

Kaczynskis Partei wird Kritikern zufolge vor allem wegen ihrer
umfangreichen sozialen Wohltaten gewählt. «Die PiS spezialisiert sich
darauf, politische Unterstützung von Steuergeldern zu kaufen», sagt
Wirtschaftspublizist Piotr Maczynski von der Zeitung «Gazeta
Wyborcza». Auch den Sieg bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 führten
Experten auf das von der PiS versprochene Kindergeld zurück. Mit
umgerechnet etwa 120 Euro im Monat stellt es für viele Familien ein
zusätzliches Einkommen dar. Die PiS senkte außerdem das
Renteneintrittsalter von 67 auf 65 für Männer und 60 für Frauen.

Nun wirbt die Partei mit mehr Geld für Senioren. Experten zufolge
werden die notwendigen Mittel für ein solch großzügiges Programm bald

knapp. Noch deckt die PiS die zusätzlichen Milliardenausgaben durch
eine höhere Umsatzsteuer und einen reformierten Steuereinzug ab.
«Wenn diese Einnahmen stocken oder sinken, muss die PiS ihre
Sozialprogramme kürzen oder Steuern erhöhen», sagt Maczynski. «Wenn

das Geld alle ist, wird die Macht der PiS zu Ende sein.»

Die meisten Wähler der PiS, die traditionelle Werte vertreten und der
katholischen Kirche nahestehen, sind in ländlichen Regionen im
Südosten Polens beheimatet. In Großstädten wie Warschau oder Danzig
ist die Lage umkämpfter - Umfragen zufolge dürfte sich die PiS hier
im Kampf um Stadtpräsidentenämter auch am Sonntag nicht durchsetzen.
Dort habe die liberaldemokratische Opposition bessere Chancen auf
Erfolge, sagt Majcherek. Siege der Opposition dort wären aus seiner
Sicht ein wichtiger psychologischer Schub für die PiS-Rivalen. «Es
könnte ein erster Schritt zur Wiederherstellung ihrer Macht und
demokratischer Standards sein.»