Rückhalt für Polens umstrittene PiS-Partei bei wichtiger Regionalwahl Von Natalie Skrzypczak, dpa

21.10.2018 22:03

Bei wichtigen Regionalwahlen in Polen holt Jaroslaw Kaczynskis
umstrittene PiS-Partei nach ersten Prognosen die meisten Stimmen.
Triumphe gibt es aber auch für die Opposition. Experten sehen die
Wahl als Wegweiser für den politischen Kurs des Landes.

Warschau (dpa) - Ungeachtet ihres strikten EU-Konfrontationskurses
hat Polens Regierungspartei PiS weiter großen Rückhalt im Land. Die
nationalkonservative Partei setzte sich ersten Schätzungen zufolge
mit 32,3 Prozent der Stimmen bei wichtigen Regionalwahlen am Sonntag
als stärkste Kraft durch. «Wir haben mit einem Ergebnis gewonnen, das
Gutes für die Parlamentswahlen verheißt», sagte Parteichef Jaroslaw
Kaczynski. Endgültige Resultate sollen laut staatlicher
Wahlkommission erst am Mittwoch vorliegen. Das Votum gilt als
wichtiger Stimmungstest für den weiteren politischen Weg Polens.

«Die Wahlen haben eine nie dagewesene Bedeutung», sagt der Soziologe
Janusz A. Majcherek von der Universität Krakau zur nun anstehenden
Neubesetzung von Posten Zehntausender Lokalpolitiker - vom
Bürgermeister bis zum Gemeinderat. Seiner Meinung nach ist von einer
Fortsetzung des autoritären und EU-skeptischen Kurses der PiS
auszugehen.

Die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS, die seit 2015 mit absoluter
Mehrheit auf nationaler Ebene regiert, steht europaweit unter anderem
wegen erheblicher Einschnitte in die Unabhängigkeit der Justiz in der
Kritik. Gegen die umstrittenen Zwangspensionierungen von Richtern
klagt die EU-Kommission gar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Trotz des Zwists mit vielen EU-Partnern stimmten nun laut
Nachwahlbefragungen des Instituts Ipsos für den Sender TVN24
landesweit die meisten Polen für die Partei des mächtigen PiS-Chefs
Kaczynski. Die Wahl von Vertretern für Gemeinden, Kreise und die
Regionalparlamente der 16 Wojewodschaften stellt in Polen den Auftakt
eines regelrechten Abstimmungsmarathons dar: 2019 folgen Europa- und
Parlamentswahlen, 2020 dann die Präsidentschaftswahlen.

Kommentatoren in Polen schätzen, dass die PiS, die bisher nur in
einem Regionalparlament regiert, ihre Macht nun auf lokaler Ebene
ausbauen wird. Auf nationaler Ebene krempelt die PiS das Land bereits
nach ihren Vorstellungen um und peitscht umstrittenste Reformen
mühelos durchs Parlament.

Die zerstrittene Opposition, der Kritikern zufolge eine
programmatische Linie fehlt, konnte dem bisher kaum etwas
entgegensetzen. Den vorläufigen Wahlergebnissen zufolge blieben die
Oppositionsparteien PO und Nowoczesna, die bei der Wahl sogar
gemeinsam antraten, mit 24,7 Prozent Stimmen deutlich hinter der PiS.

Machtlos gegen die Warschauer Regierung erwies sich bisher auch die
EU-Kommission, die neben der EuGH-Klage ein Sanktionsverfahren wegen
Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt. «Polen steuert auf
einen Polexit zu», warnen PiS-Gegner.

Die Nationalkonservativen sehen sich gleichwohl im Recht. «Die
Mehrheit der Polen will die Justizreformen», argumentiert
Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dass die PiS drei Jahre nach ihrem
Wahlsieg die Position als stärkste Partei Polens halten kann, liegt
allerdings nicht an einer Europaskepsis der Polen. Mehr als 80
Prozent der Menschen befürworten laut einer Studie des
Meinungsforschungsinstituts Millward Brown für den Sender TVN24 die
EU-Mitgliedschaft.

Kaczynskis Partei wird Kritikern zufolge vor allem wegen ihrer
umfangreichen sozialen Wohltaten gewählt. «Die PiS spezialisiert sich
darauf, politische Unterstützung von Steuergeldern zu kaufen», sagt
Wirtschaftspublizist Piotr Maczynski von der Zeitung «Gazeta
Wyborcza». Auch den Sieg bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 führten
Experten auf das von der PiS versprochene Kindergeld zurück. Mit
umgerechnet etwa 120 Euro im Monat stellt es für viele Familien ein
zusätzliches Einkommen dar. Die PiS senkte außerdem das
Renteneintrittsalter von 67 auf 65 für Männer und 60 für Frauen.

Nun warb die Partei mit mehr Geld für Senioren. Experten zufolge
werden die notwendigen Mittel für ein solch großzügiges Programm bald

knapp. Noch deckt die PiS die zusätzlichen Milliardenausgaben durch
eine höhere Umsatzsteuer und einen reformierten Steuereinzug ab.
«Wenn diese Einnahmen stocken oder sinken, muss die PiS ihre
Sozialprogramme kürzen oder Steuern erhöhen», sagt Maczynski. «Wenn

das Geld alle ist, wird die Macht der PiS zu Ende sein.»

Die meisten Wähler der PiS, die traditionelle Werte vertreten und der
katholischen Kirche nahestehen, sind in ländlichen Regionen im
Südosten Polens beheimatet. Im Kampf um die Stadtpräsidentenämter in

Großstädten wie Warschau oder Posen triumphiert nun den Schätzungen
nach die Opposition: Überraschend gewann PO-Kandidat Rafal
Trzaskowski sogar im ersten Wahlgang in Warschau das
Stadtpräsidentenamt. «Die Großstädte bleiben Bastionen der Freiheit
»,
hieß es aus Reihen seiner Partei. Denn auch in anderen Großstädten
setzte sich die PiS zunächst nicht durch. Dort stehen am 4. November
Stichwahlen an.

Die Erfolge der liberaldemokratischen Opposition in den Großstädten
sind aus Majchereks Sicht ein wichtiger psychologischer Schub für die
PiS-Rivalen: «Es könnte ein erster Schritt zur Wiederherstellung
ihrer Macht und demokratischer Standards sein.»