Polens Gerichtschefin ruft zwangspensionierte Richter in den Dienst

22.10.2018 14:16

Brüssel/Warschau (dpa) - Nach der Eilentscheidung des Europäischen
Gerichtshofs gegen Polen ruft Warschaus oberste Gerichtspräsidentin
Malgorzata Gersdorf zwangspensionierte Richter zurück in den Dienst.
Alle betroffenen Juristen seien aufgefordert, ihren richterlichen
Dienst aufzunehmen, forderte Gersdorf in einem vom Gericht
veröffentlichten Schreiben. Einige der Richter erschienen am Montag
tatsächlich im Gericht, wie Gerichtssprecher Michal Laskowski
mitteilte.

Der EuGH hatte Polen am Freitag in einer einstweiligen Anordnung
angewiesen, die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern am
Obersten Gericht sofort zu stoppen und rückgängig zu machen. Ob und
wie die polnische Regierung dies umsetzt, war am Montag noch offen.
Die Anordnung richtet sich gegen ein Gesetz, mit dem das
Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre
gesenkt wird. Dies nutzte die politische Führung seit Anfang Juli
dazu, mehr als 23 Richter in den Ruhestand zu schicken.

Geklagt hatte die EU-Kommission, die sich nach der Eilentscheidung
inhaltlich bestätigt sieht. «Das Gericht stützt die Sicht der
Kommission, dass das neue Gesetz nicht mit EU-Recht vereinbar ist,
weil es die Prinzipien der Unabhängigkeit der Justiz untergräbt»,
sagte ein Sprecher in Brüssel.

Kontakte zwischen Brüssel und Warschau in der Sache habe es seiner
Kenntnis nach übers Wochenende nicht gegeben. Doch fügte der Sprecher
hinzu: «Die Kommission ist bereit, den Rechtsstaatsdialog
fortzusetzen.» Dies sei der bevorzugte Weg, «um die systemische
Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Polen zu lösen». Die Kommission
streitet seit Anfang 2016 mit der rechtskonservativen Regierung in
Warschau über deren Umbau der Justiz.