Sorge um Pestizide - Wasserversorger verklagt Land

22.10.2018 15:50

Wie viele Pestizide im Südwesten eingesetzt werden, wird zwar von den
Landwirten erhoben. Aber die Wasserversorger erhalten keinen Einblick
in die Daten. Dabei dürften sie das laut EU-Verordnung.

Stuttgart (dpa/lsw) - Der Verband Landeswasserversorgung
Baden-Württemberg (LW) hat das Land verklagt, um die Herausgabe von
Daten zum Pestizideinsatz in Wasserschutzgebieten zu erzwingen. «Wir
haben den starken Verdacht, dass die Landwirtschaftslobby die Politik
bestimmt und der Umweltschutz und der Grundwasserschutz dabei unter
die Räder kommen», sagte LW-Sprecher Bernhard Röhrle am Montag der
Deutschen Presse-Agentur. Es sei wichtig zu wissen, wie viele und
welche Pestizide im Wasser seien. Darauf müsse sich der Verband
einstellen können, um die Aufbereitung des Wassers zu steuern.

Der kommunale Zweckverband versorgt im Südwesten drei Millionen
Menschen mit Wasser, mehr als 100 Städte, Gemeinden und Verbände
gehören ihm an. Der «Schwäbischen Zeitung» hatte Röhrle zuvor ges
agt,
dass bereits seit vier Jahren Gewässer auf Spritzmittel untersucht
würden. So seien im Frühsommer Pestizidrückstände weit über den
Grenzwerten entdeckt worden. An einer Stelle lag der Wert für
Glyphosat um das Siebenfache höher als erlaubt.

Auch der Südwest-Ableger der Naturschutzorganisation Nabu hatte im
August Klage gegen das Land eingereicht, um die Pestiziddaten
einsehen zu dürfen. «Wir sind froh, dass nun auch ein kommunaler
Zweckverband Tacheles redet und wir das nicht immer alleine machen
müssen», sagt der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle.

Die Landeswasserversorgung hat womöglich noch bessere Chancen als der
Nabu, mit seiner Klage erfolgreich zu sein. Er beruft sich auf eine
EU-Verordnung zu Pflanzenschutzmitteln von 2009. Sie legt unter
anderem fest, dass Landwirte über die Pestizide Buch führen müssen.
In der Verordnung heißt es: «Dritte wie beispielsweise die
Trinkwasserwirtschaft, Einzelhändler oder Anrainer können bei der
zuständigen Behörde um Zugang zu diesen Information ersuchen.»

Allerdings steht dort weiter: «Die zuständige Behörde macht diese
Informationen gemäß den geltenden nationalen oder gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften zugänglich». Darauf beruft sich offenbar das
Landwirtschaftsministerium. «Die Klage der Landeswasserversorgung
gegen das Land haben wir zur Kenntnis genommen. An unserem Standpunkt
hat sich seither nichts geändert. Wir halten uns an die geltenden
Regelungen und Bestimmungen», sagte eine Ministeriumssprecherin am
Montag.

«Mit der Pestizid-Geheimniskrämerei muss Schluss sein», fordert
Harald Ebner (Grüne), der für den Wahlkreis Schwäbisch Hall im
Bundestag sitzt. Er ist Pestizidexperte seiner Fraktion. «Ich sehe
keinen vernünftigen Grund, den Wasserversorgern diese Informationen
vorzuenthalten. Genau so wenig wie dem Nabu», sagte Ebner der
Deutschen Presse-Agentur. Es handele sich um berechtigte Anliegen,
die man nicht abbügeln, sondern ernst nehmen müsse.

Zumal die Analysen der Wasserversorger ins Geld gehen. «Wir müssen
gezielt suchen können, sonst wird die Analytik sehr aufwendig und
extrem teuer», sagt Röhrle vom LW. Das wiederum wirke sich auf die
Wasserpreise aus, die der Bürger zahlen müsse.