Moskau warnt USA im Streit über Rüstungsvertrag vor Sicherheitsrisiko

22.10.2018 18:24

Machen die USA ernst und steigen aus einem wichtigen Rüstungsabkommen
aus? Sollte es soweit kommen, will der Kreml entsprechend reagieren.
Beide Seite reden miteinander, immerhin. Doch mit welchem Ergebnis?

Brüssel/Moskau (dpa) - Russland warnt angesichts des angekündigten
Ausstiegs der USA aus einem wichtigen Abrüstungsabkommen vor globalen
Sicherheitsrisiken. Der amerikanische Präsident Donald Trump mache
die Welt mit der geplanten Kündigung des INF-Vertrags deutlich
gefährlicher, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.
Der Vertraute von Präsident Wladimir Putin betonte, Russland halte
sich seinerseits genau an die Vereinbarungen. Doch müsse sein Land im
Fall eines einseitigen Rückzugs der USA «nach einer Wiederherstellung
des Gleichgewichts in diesem Bereich suchen».

Das Abkommen aus dem Jahr 1987 zwischen den USA und der damaligen
Sowjetunion untersagt den Bau und Besitz landgestützter, atomar
bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von
500 bis 5500 Kilometern. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig
vor, den Vertrag gebrochen zu haben.

Trumps Sicherheitsberater John Bolton führte am Montag Gespräche in
der russischen Hauptstadt; er wollte über den Ausstieg reden.

Peskow warnte, dass die USA nach einem Ausstieg aus dem INF-Vertrag
genau die Waffensysteme entwickeln wollten, die durch das Abkommen
verboten werden. Schon jetzt verletzten die USA das Abkommen selbst
seit Jahren systematisch, zum Beispiel mit der Entwicklung
raketenbestückter Drohnen. Im Falle eines Ausstiegs aus dem Vertrag
müsse Russland Maßnahmen ergreifen, um seine eigene Sicherheit zu
garantieren, betonte er.

Außenminister Sergej Lawrow betonte, Moskau sei noch immer zu einem
Dialog mit Washington bereit. Bislang gebe es aber noch keine
öffentliche Erklärung zu dem Ausstieg, der mehrere Monate
Vorbereitungszeit benötige, sagte der Chefdiplomat vor einem
geplanten Treffen mit Bolton.

Am Nachmittag traf sich der US-Sicherheitsberater zunächst mit seinem
russischen Kollegen Nikolai Patruschew in Moskau. Details wurden
zunächst nicht bekannt. Ob Bolton bei dem zweitägigen Besuch auch mit
Präsident Wladimir Putin spricht, blieb ebenfalls unklar.

Trump hatte am Wochenende gesagt, seine Regierung werde die derzeit
verbotenen Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem
neuen Abkommen dazu zustimmen. Die USA stören sich daran, dass das
Abkommen sie hindert, dem Aufrüsten Chinas etwas entgegenzusetzen,
weil es nicht Vertragspartner ist.

Die USA wollen die Nato-Partner im Laufe der Woche offiziell über
ihre Pläne informieren. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen soll die
Unterrichtung im Rahmen einer Sitzung des Nordatlantikrats erfolgen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte eine
Mitsprache aller Nato-Staaten. «Für uns Europäer ist der INF-Vertrag

ein Kernelement unserer Sicherheit und deshalb muss es jetzt auch
darum gehen, Wege aufzuzeigen, wie diese Sicherheit erhalten werden
kann», sagte die Ministerin vor Journalisten. Bei einem Besuch in
Peking nannte sie die Entwicklung zugleich «besorgniserregend», auch
wenn sie sich schon abgezeichnet habe. Bereits im Sommer habe es beim
Nato-Gipfel «erhebliche Zweifel» an der Vertragstreue der Russen
gegeben.

Litauens Außenminister Linas Linkevicius hält die Ankündigung von

Trump für ein Druckmittel. «Ich sehe dies als ein Mittel, um Druck
auf Russland auszuüben, den Vertrag zu respektieren, da es seit vier
Jahren Fakten gibt, dass Russland selbst dieses Abkommen nicht
einhält», sagte Linkevicius am Montag in Vilnius der Agentur BNS.

Die EU-Kommission verlangte, die USA und Russland müssten weiterhin
einen konstruktiven Dialog führen, «um das Abkommen beizubehalten und
seine vollständige und nachweisliche Umsetzung sicherzustellen». Es
habe zum Ende des Kalten Kriegs und des nuklearen Wettlaufs
beigetragen, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica
Mogherini in Brüssel. Sie bezeichnete das Abkommen als «Meilenstein
der europäischen Sicherheit».

Unterdessen äußerte China Kritik am Vorgehen der USA. Die Sprecherin
des Außenministeriums, Hua Chunyin, wies auch die amerikanische
Darstellung zurück, dass Chinas Aufrüstung etwas damit zu tun habe.
«Es ist völlig falsch, China in den Rückzug aus dem Vertrag zu
involvieren.» Der Vertrag zwischen den USA und Russland sei ein
wichtiges Abrüstungsabkommen und habe eine große Rolle gespielt, das
strategische Gleichgewicht zu wahren.

Eine einseitige Abkehr der USA werde «viele negative Auswirkungen»
haben, sagte die Sprecherin. Die USA sollten vorsichtig mit diesem
Vertrag umgehen.

Die Grünen forderten als Konsequenz den Abzug der US-Atomwaffen aus
Deutschland. «Die Bundesregierung, wenn sie jetzt hier ihre Appelle
an die US-Regierung ernst meint, muss jetzt sagen: Wir beenden die
deutsche nukleare Teilhabe», sagte die Parteivorsitzende Annalena
Baerbock im ZDF-«Morgenmagazin». Es sei «absolut fatal», dass Trump

aus dem sogenannten INF-Vertrag aussteigen wolle.