Scholz bremst vor Merkels Treffen mit Macron bei EU-Digitalsteuer

18.11.2018 05:00

Eine Digitalsteuer für US-Konzerne wie Amazon in Europa ist ein
Wunschprojekt Frankreichs - aber die Bundesregierung fürchtet den
Zorn Donald Trumps, etwa gegen deutsche Autokonzerne. Nun kommt
Präsident Macron nach Berlin.

Berlin (dpa) - Vor dem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel
Macron in Berlin hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der
raschen Einführung einer EU-Digitalsteuer eine Absage erteilt. Er
wolle zunächst bis Mitte 2020 im Rahmen der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Regeln zur
Mindestbesteuerung und zur Besteuerung der digitalen Unternehmen
vereinbaren, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

«Sollte das wider Erwarten in den nächsten anderthalb Jahren nicht
klappen, muss die EU allein handeln und zum Januar 2021 in jedem
Falle entsprechende Regeln in der EU etablieren», fügte er an. Die
französische Regierung wirft der Bundesregierung in der Frage ein
Ausbremsen vor. Auch die Grünen, die Linke und die SPD-Linke pochen
vehement auf eine Digitalsteuer, da viele Bürger das Abschöpfen der
Gewinne dank ihrer Daten für höchst ungerecht halten.

Macron ist anlässlich des Volkstrauertages und der gemeinsamen
Gedenkens an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren am Sonntag
in Berlin. Bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am
Nachmittag dürfte es auch um die nächsten EU-Reformprojekte gehen.

Die OECD hat 36 Mitgliedstaaten, darunter die USA. Eine von Scholz
anvisierte Einigung auf der Ebene ist bisher unwahrscheinlich, da die
Digitalsteuer vor allem US-Internetriesen wie Amazon, Google und
Apple treffen würde.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, für Firmen mit einem weltweiten
Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem
Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa drei Prozent
Umsatzsteuer zu verhängen. Digitalkonzerne verbuchen in Europa
riesige Umsätze und Gewinne, zahlen aber kaum Steuern, da sie in den
meisten Ländern keine versteuerbaren Firmensitze haben. Scholz
fürchtet im Fall einer Einführung einer Digitalsteuer aber
Vergeltungsmaßnahmen der US-Regierung von Präsident Donald Trump,
etwa gegen deutsche Autokonzerne in den USA.

In einem anderen wichtigen Punkt hatten Scholz und Frankreichs
Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag eine Einigung erzielt.
Geschaffen werden soll ein gemeinsamer Haushalt der Euro-Zone in den
bestehenden EU-Haushaltsstrukturen, um ökonomische Unterschiede durch
Investitionen zu mindern und um die Haushaltsführung der Euro-Staaten
besser abzustimmen.

Er hoffe, dass dieses Projekt am Montag bei der nächsten
EU-Finanzministersitzung auf breite Zustimmung stoßen werde, sagte
Scholz der dpa. «Das Budget ist Teil des EU-Haushalts, wird aber
ausschließlich für die Länder verfügbar sein, die auch den Euro als

Währung haben», erläuterte der Vizekanzler. «Mit dem Geld wollen wi
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den Zusammenhalt und die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder erhöhen

und die Stabilität der Eurozone sicherstellen.»

Das Budget soll ab 2021 kommen. Die Höhe muss noch ausgehandelt
werden. Le Maire hatte einen Betrag von 20 bis 25 Milliarden Euro als
«guten Ausgangspunkt» bezeichnet - das wären um die 0,2 Prozent des
gemeinsamen Bruttoinlandsprodukts der 19 Euro-Länder. Ursprünglich
hatte Macron einen Haushalt von «mehreren BIP-Punkten» gefordert, was
mehrere Hundert Milliarden Euro wären. Deutschland zahlt bisher rund
30 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein, durch den EU-Austritt
Großbritanniens könnten es noch einmal 10 Milliarden mehr werden.

Kritik an dem Projekt kam von der FDP. «Ein reines Eurozonen-Budget
ist der falsche Weg, da es keine Anreize für die dringend notwendigen
Strukturreformen setzt», sagte Fraktionsvize Christian Dürr.