Britisches Parlament ringt um Brexit-Deal - Gutachten aus Luxemburg

04.12.2018 12:48

Die Nerven in Großbritannien liegen blank. Im Londoner Parlament ist
in den nächsten Tagen mit heftigen Wortgefechten zu rechnen. Kann
Regierungschefin May ihre Kritiker von ihrem Brexit-Deal überzeugen?

London (dpa) - Zum Auftakt einer fünftägigen Debatte im britischen
Parlament sieht sich Premierministerin Theresa May weiterhin mit
großem Widerstand gegen ihr Brexit-Abkommen konfrontiert. «Das ist
der Deal, der dem britischen Volk gerecht wird», sagte May laut einem
vorab verbreiteten Redetext. Sie gibt am Dienstagnachmittag den
Startschuss für die Diskussionen im Unterhaus, die mit einer
Abstimmung am 11. Dezember enden sollen.

Ihre Chancen stehen aber schlecht, dass das mit Brüssel ausgehandelte
Vertragswerk vom Parlament abgesegnet wird. Dutzende Brexit-Hardliner
in Mays konservativer Partei lehnen es als zu EU-freundlich ab. Auch
die Opposition sperrt sich. Die nordirische DUP, auf die Mays
Minderheitsregierung angewiesen ist, verweigert ebenso die
Zustimmung. Sie will keine Sonderregelungen in Nordirland. Sollte May
im Parlament unterliegen, werden auch ihr Rücktritt und Neuwahlen
nicht ausgeschlossen.

Kurz vor der Debatte gab es Ärger um ein Rechtsgutachten des
Generalstaatsanwalts Geoffrey Cox zu dem Abkommen. Die Opposition
will das komplette Dokument einsehen, die Regierung veröffentlichte
aber nur eine Zusammenfassung. Kritiker glauben, dass heikle Passagen
über die Brexit-Folgen im Gutachten geheimgehalten werden sollen. Sie
fürchten, dass der Deal ihr Land dauerhaft an die EU binde.

Ein anderes Gutachten dürfte hingegen den EU-Anhängern Auftrieb
geben: Großbritannien kann den Brexit aus Sicht eines Experten am
Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch stoppen. Das Vereinigte
Königreich will Ende März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen.

Das Land könnte den Austrittsantrag einseitig und ohne Zustimmung der
übrigen EU-Staaten zurückziehen und Mitglied der Staatengemeinschaft
bleiben, erklärte Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in
Luxemburg. Dies gelte bis zum Abschluss des Austrittsabkommens.

Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung
gebeten. Das Gutachten ist noch kein Urteil und somit nicht rechtlich
bindend. Wann die Richter entscheiden, ist nach Angaben des Gerichts
noch nicht bekannt. Der EuGH folgt oft seinen Gutachtern.

In London werden die Parlamentarier des Unterhauses bis kommenden
Dienstag viele Stunden lang debattieren. Dann steht die entscheidende
Abstimmung an. May muss 320 der 639 Stimmen im Unterhaus ergattern -
ob sie das Steuer noch rumreißen kann, ist jedoch sehr fraglich.