Unterhaus ringt um EU-Austritt - Exit vom Brexit laut Experte möglich

04.12.2018 19:40

London (dpa) - Noch vor dem Start einer fünftägigen Debatte über den

Brexit-Deal bereiten die Abgeordneten der britischen Regierung
mehrere Schlappen. Das Gutachten eines Experten des Europäischen
Gerichtshofs gießt Wasser auf die Mühlen der Brexit-Gegner.

London (dpa) - Zum Auftakt der Parlamentsdebatte über den Brexit-Deal
hat die britische Premierministerin Theresa May am Dienstag gleich
mehrere Schlappen einstecken müssen. Eine Mehrheit für das Abkommen
scheint unwahrscheinlicher denn je. Sollte May ihren Deal für den
EU-Austritt im Parlament nicht durchsetzten können, droht das
politische Chaos. Sowohl ein Rücktritt Mays als auch eine Neuwahl
oder ein zweites Referendum scheinen dann möglich.

Hoffnungen auf einen Exit vom Brexit wurden auch durch das Gutachten
eines Experten am Europäischen Gerichtshof gestärkt. Demnach kann
Großbritannien den EU-Austritt einseitig widerrufen.

Die erste Schlappe brachten die Abgeordneten May am Dienstag bei, als
sie entschieden, dass die Regierung die Rechte des Parlaments
missachtet hat. Grund war die Weigerung, ein Gutachten von
Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox zum Brexit-Deal vollständig
zugänglich zu machen. Zudem sicherten sich die Parlamentarier das
Recht, auch bei einer zweiten Abstimmung Änderungsanträge
einzubringen, sollte das Abkommen bei der Abstimmung am 11. Dezember
durchfallen. May hatte da noch nicht einmal das Rednerpult erreicht.

Kritiker des Abkommens vermuteten, dass ihnen wichtige Informationen
über die rechtliche Bewertung des Deals vorenthalten werden sollten,
bevor sie darüber abstimmen. Das Gutachten werde nun veröffentlicht,
sagte Andrea Leadsom, die eine Art Fraktionschefin der Konservativen
ist.

Der BBC zufolge ist es das erste Mal in der Geschichte des britischen
Parlaments, dass die Regierung von den Abgeordneten wegen Missachtung
abgemahnt wird. Ein Versuch der Regierung, die Niederlage mit einem
Gegenentwurf in letzter Minute abzuwenden, scheiterte.

Für May ist das ein weiterer Rückschlag. Ohnehin werden ihr nur
geringe Chancen zugestanden, eine Mehrheit für ihr Abkommen bei der
geplanten Abstimmung im Parlament zu erreichen. Nun ist klar, dass
sie sich nicht auf eine Mehrheit der Abgeordneten verlassen kann.

Medien spekulierten bereits, May hoffe auf einen Erfolg in einem
zweiten Wahlgang, bei dem die Abgeordneten keine Möglichkeit zu
Änderungsanträgen haben würden. Mein Deal oder kein Deal, so lautet
die Devise der Regierungschefin. Doch mit einer Änderung der
Debattenordnung machten ihr die Parlamentarier nun einen Strich durch
die Rechnung.

Trotzdem verteidigte May das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen zu
Beginn der Debatte am Abend: «Das ist der Deal, der dem britischen
Volk gerecht wird», sagte sie sichtlich angeschlagen.

Dutzende Abgeordnete in Mays Konservativer Partei lehnen das
Brexit-Abkommen ab. Auch die Opposition sperrt sich. Die nordirische
DUP, auf die Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, verweigert
ebenso die Zustimmung. Sie will keine Sonderregelungen für
Nordirland. Auch Gegner des EU-Austritts wollen den Deal blockieren.

Großbritannien kann den Brexit aus Sicht eines Experten am
Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch stoppen. Das Vereinigte
Königreich will Ende März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen.

Das Land könnte den Austrittsantrag einseitig und ohne Zustimmung der
übrigen EU-Staaten zurückziehen und Mitglied der Staatengemeinschaft
bleiben, erklärte Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in
Luxemburg. Dies gelte bis zum Abschluss des Austrittsabkommens.

Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung
gebeten. Das Gutachten ist noch kein Urteil und somit nicht rechtlich
bindend. Wann die Richter entscheiden, ist nach Angaben des Gerichts
noch nicht bekannt. Der EuGH folgt oft seinen Gutachtern.

In London werden die Parlamentarier des Unterhauses bis kommenden
Dienstag viele Stunden lang debattieren. Dann steht die entscheidende
Abstimmung an. May muss 320 der 639 Stimmen im Unterhaus ergattern.