Kampf um CDU-Vorsitz: Immer mehr Delegierte kommen aus der Deckung

05.12.2018 16:18

Es ist eine Zäsur für die CDU. Am Freitag steht fest, wer Angela
Merkel nach 18 Jahren an der Parteispitze nachfolgt - «AKK» oder
Merz? Kramp-Karrenbauer betont Unterschiede zu Merkel, Merz will eine
«Agenda für die Fleißigen».

Berlin (dpa) - Kurz vor der Entscheidung über den CDU-Vorsitz kommen
immer mehr Parteigrößen aus der Deckung und sprechen sich öffentlich

für einen der Kandidaten aus. Auf dem Bundesparteitag in Hamburg wird
am Freitag bei der Wahl zur Nachfolge von Angela Merkel ein Zweikampf
zwischen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem
früheren Unions-Fraktionschef Friedrich Merz erwartet. Der jetzige
Fraktionschef Ralph Brinkhaus sprach sich für eine Modernisierung der
Partei mit stärkerer Mitgliederbeteiligung aus.

Kramp-Karrenbauer erhielt Rückendeckung aus dem Sozialflügel der CDU.
In der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) mit ihren
gut 250 Delegierten gebe es eine «klare, eindeutige Mehrheit» für
Kramp-Karrenbauer, sagte der sozialpolitische Sprecher der
Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß, dem «Handelsblatt».
Kramp-Karrenbauers größter Vorteil sei, dass sie empathisch sei. «Sie

erreicht die Herzen der Menschen.» Kramp-Karrenbauer bringe als
frühere Sozialministerin im Saarland viel Erfahrung auf dem Gebiet
der Sozialpolitik mit. Merz sowie Gesundheitsminister Jens Spahn
werden dem wirtschaftsliberalen Flügel der CDU zugerechnet.

Mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte sich am Dienstag ein
Schwergewicht der Partei für Merz als Merkel-Nachfolger
ausgesprochen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther
tat dies zuvor für Kramp-Karrenbauer; Spahn gilt als Außenseiter.
Merz und Spahn wollten im Zuge ihrer Bewerbung viele enttäuschte
Konservative in der CDU ansprechen. Kramp-Karrenbauer gilt als
Favoritin Merkels.

Am Donnerstag tagen in Hamburg bereits die Spitzengremien der CDU.
Merkel besichtigt bei einem Hallenrundgang den Ort des Parteitags.
Sie hatte auch unter dem Druck von Wahlschlappen angekündigt, nicht
erneut als Parteivorsitzende zu kandidieren. Merkel will aber bis zum
Ende der Legislaturperiode 2021 Kanzlerin bleiben.

Die stellvertretende Bundesvorsitzende und Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen mahnte die CDU, nach dem Parteitag nicht durch
einen Rechtsruck die Mitte der Gesellschaft aufzugeben. «Die Union
kann künftig die über 40 Prozent von 2013 nur dann wieder erreichen,
wenn wir die Mitte und die Frauen nicht verlieren», sagte sie dem
«Redaktionsnetzwerk Deutschland» (RND/Donnerstag). «Es wird
entscheidend sein, dass die CDU auch in Zukunft die ganze thematische
Breite der Gesellschaft repräsentiert.»

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Nachfolger
Kramp-Karrenbauers an der Saar, sprach sich wenig überraschend für
die derzeitige Generalsekretärin aus. Hans sagte der «Frankfurter
Allgemeine Zeitung» (Donnerstag), für Kramp-Karrenbauer als künftige

Bundesvorsitzende spreche, dass sie Wahlen gewinnen könne. «Das hat
sie im Saarland gegen starken bundespolitischen Gegenwind und auf dem
Höhepunkt des «Schulz-Hype» eindrucksvoll mit 40,7 Prozent bewiesen.
»

Kramp-Karrenbauer selbst machte Unterschiede zu Merkel deutlich. Sie
sagte am Mittwoch im Fernsehsender Phoenix: «Ich habe mein eigenes
Profil und meine eigene Biografie. Darin unterscheide ich mich auch
von Angela Merkel.» Sie werde bei Themen, die sie anders bewerte als
Merkel, keine «gesteuerte Harmonie» suchen. «Aber auf der anderen
Seite werde ich mich auch nicht künstlich von Punkten distanzieren,
die ich politisch mit Angela Merkel teile.

Merz sagte, er wolle im Falle seiner Wahl eine politische Offensive
für die gesellschaftliche Mitte ins Leben rufen. Er sagte der
«Bild»-Zeitung (Donnerstag): ««Wir brauchen eine «Agenda für di
e
Fleißigen». Es gibt so viele Menschen in unserem Land, die ein Leben
lang hart arbeiten, sich jeden Tag abmühen und ihren Beitrag zum Wohl
aller leisten. Ich denke an die vielen Arbeitnehmer, die Lehrerinnen
und Lehrer, an Menschen in sozialen Berufen, an Alleinerziehende,
Polizisten, die viele Überstunden leisten, die am Monatsende zu wenig
übrig haben.» Darum müssten Steuern und Abgaben gezielt gesenkt
werden. «Darüber hinaus müssen wir diejenigen aufwerten, die sich
ehrenamtlich mit großem Eifer um unser Land kümmern.»

CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur sind aus Sicht des
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet nicht
automatisch miteinander verbunden. Über den Kanzlerkandidaten werde
die CDU entscheiden, «wenn der Zeitpunkt gekommen ist», sagte Laschet
dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland» (Donnerstag). Für die nächste

Kanzlerschaft müssten neue Maßstäbe gelten, so Laschet. Wichtig sei
eine langfristige inhaltliche Kursbestimmung.

Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn hatten sich auf acht
Regionalkonferenzen der Basis als Kandidaten vorgestellt.
Unionsfraktionschef Brinkhaus sagte der Deutschen Presse-Agentur, die
Konferenzen hätten gezeigt, dass die Mitglieder sehr engagiert seien
und sich einbringen wollten. Über geeignete Formate für mehr
Mitgliederbeteiligung solle nach dem Parteitag intensiv diskutiert
werden. «Das ist eine Schlüsselfrage, ob wir den Status als
Volkspartei erhalten können.» Vor allem müssten mehr Frauen für die

Union in die Parlamente einziehen und auch in der Partei in
verantwortungsvolle Positionen kommen.