Theresa May signalisiert Entgegenkommen beim Brexit-Deal

06.12.2018 17:48

Die Situation für die britische Regierungschefin Theresa May scheint
fast aussichtslos. Wird sie bis zur Abstimmung über den Brexit-Deal
noch genug Abgeordnete von ihren Plänen überzeugen können?

London/Luxemburg (dpa) - Die britische Premierministerin Theresa May
hat im Streit um das Brexit-Abkommen dem Parlament vage
Kompromissbereitschaft signalisiert. Dabei geht es um den sogenannten
Backstop, den viele Abgeordnete ablehnen. Diese Notfallregel soll
garantieren, dass es nach dem Brexit keine Grenzkontrollen zwischen
dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gibt.

Die Abgeordneten könnten bei der Entscheidung, ob die Notfallregel in
Kraft treten soll, «eine Rolle spielen», sagte May am Donnerstag dem
Sender BBC. Sie könnten «zwischen dem Auslösen des Backstops und der

Verlängerung der Übergangsfrist» wählen. Die Regierungschefin ging

jedoch nicht konkreter auf das Thema ein.

Die Notfallregel sieht vor, dass Großbritannien in der EU-Zollunion
bleibt, bis London und Brüssel entscheiden, dass dies nicht mehr
nötig ist. Brexit-Hardliner fordern hingegen ein einseitiges
Kündigungsrecht für den Backstop, damit Großbritannien eigene
Handelsabkommen schließen kann. Im Fall von Grenzkontrollen werden
Unruhen in der nordirischen Ex-Bürgerkriegsregion befürchtet.

Am kommenden Dienstag werden die Abgeordneten des Unterhauses über
das Brexit-Abkommen abstimmen. Eine Mehrheit für den Entwurf ist
nicht in Sicht. Mays Werbekampagne für den Deal scheint bislang
erfolglos zu sein. Weder in ihrer eigenen Konservativen Partei noch
bei der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung
angewiesen ist, gibt es Bewegung. Die Zahl der Kritiker bei den
Tories, die nicht mit dem Abkommen einverstanden sind, ist inzwischen
auf mehr als 100 gestiegen, wie die Zeitung «The Sun» berichtete.

Unterstützung bekam May von dem Liberaldemokraten Stephen Lloyd. Er
tritt als Whip (Einpeitscher) seiner Partei zurück, um für den
Brexit-Deal stimmen zu können. Die Whips sorgen für
Fraktionsdisziplin bei wichtigen Abstimmungen.

Großbritannien will die Europäische Union am 29. März 2019 verlassen.

Das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen sieht eine Übergangsphase bis
Ende 2020 vor, in der faktisch zunächst alles so bleibt, wie es ist.
Diese Phase könnte bis Ende 2022 verlängert werden.

Sollte das Abkommen abgelehnt werden, drohen drastische Folgen für
alle Lebensbereiche. Auch ein Rücktritt Mays, eine Neuwahl oder ein
zweites Brexit-Referendum sind möglich. Am Donnerstag debattierten
die Abgeordneten über die wirtschaftlichen Brexit-Folgen.

Einen Tag vor der wichtigen Abstimmung will der Europäische
Gerichtshof am Montag in Luxemburg über die Möglichkeit eines
britischen Rückziehers beim EU-Austritt entscheiden. Das oberste
schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung gebeten, ob
Großbritannien den Brexit-Antrag einseitig zurückziehen könnte.