Britische Arbeitsministerin für Plan B beim Brexit

08.12.2018 17:25

Bei der Brexit-Abstimmung am Dienstag im Londoner Parlament dürfte
Premierministerin May eine Schlappe erleiden. Ihre Arbeitsministerin
hat jetzt öffentlich Alternativen aufgezeigt.

London/Lissabon (dpa) - Die britische Arbeitsministerin Amber Rudd
hat sich für das Norwegen-Plus-Modell oder ein zweites Referendum als
Alternativen zu den bisherigen Brexit-Plänen ausgesprochen.

Sollte das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen zum EU-Austritt bei der
Abstimmung im Londoner Parlament durchfallen, könnte das
Norwegen-Plus-Modell der Plan B sein, sagte Rudd am Samstag dem
Sender BBC und der Zeitung «The Times». Kein anderer Minister hat
sich zuvor so öffentlich zu diesem Modell bekannt.

Großbritannien will Ende März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen.
Beim Norwegen-Plus-Modell würde Großbritannien im Europäischen
Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben. Das Norwegen-Plus-Modell
könnte eine fraktionsübergreifende Mehrheit im Parlament bekommen.

Norwegen ist Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), aber
nicht in der EU. Großbritannien könnte zusätzlich eine Zollunion mit

Brüssel beschließen - also Norwegen plus. Bei Kritikern ist diese
Lösung als zu weicher Brexit verschrien. Sie fürchten, dass nahezu
alles beim Alten bleibt, auch die Personenfreizügigkeit.

Es gilt zurzeit als unwahrscheinlich, dass das Parlament am kommenden
Dienstag in London für das Brexit-Abkommen von Premierministerin
Theresa May stimmt. Rudd betonte, dass sie zwar weiterhin das
Abkommen unterstütze. Ein «No Deal» könne aber ein Chaos in
Großbritannien auslösen, sagte die Ministerin der BBC.

Daher müsse man über Alternativen nachdenken. Dazu zähle auch ein
zweites Referendum. Sie selbst würde in einem solchen Fall für den
Verbleib in der Europäischen Union stimmen. Ihre persönliche Ansicht
habe sich inzwischen nicht geändert, betonte Rudd in der «Times».

Der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat Frans Timmermans
appellierte an London, den Brexit zu stoppen. Was ihn angehe, sei das
Vereinigte Königreich immer willkommen, sagte der Vizepräsident der
EU-Kommission in Lissabon. Die Teilnehmer des Parteitags der
Europäischen Sozialdemokraten jubelten ihm zu.

Die Welt und die Europäische Union hätten sich seit dem Brexit-Votum
in Großbritannien 2016 geändert. Timmermans verwies auf Risiken durch
die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Abkehr
des US-Präsidenten Donald Trump, der Interesse an einem geteilten
Europa habe. Der Wunsch aus dem Brexit-Referendum, Kontrolle
zurückzugewinnen, lasse sich am besten gemeinsam bewältigen.