Sozialdemokrat Timmermans will «Seele Europas» verteidigen

09.12.2018 10:14

Die europäischen Sozialdemokraten sind begeistert von ihrem
Spitzenkandidaten Frans Timmermans. Aber reicht das schon, um bei der
Europawahl Boden gut zu machen?

Lissabon (dpa) - Der Niederländer Frans Timmermans zieht mit dem
Versprechen eines gerechteren Europas als Spitzenkandidat für die
Sozialdemokraten in die Europawahl im Mai. Seine Parteienfamilie
nominierte den Vizepräsidenten der EU-Kommission am Wochenende in
Lissabon. Der 57-Jährige wird im Wahlkampf der große Rivale des
konservativen Kandidaten Manfred Weber (CSU). Beide wollen Nachfolger
von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden und
konkurrieren damit um einen der mächtigsten Posten in Brüssel.

In einer umjubelten Rede in Lissabon versprach Timmermans einen Pakt
für ein sozialeres Europa und Widerstand gegen nationalistische
Populisten. «Bei diesen Wahlen geht es um die Seele Europas», sagte
der frühere niederländische Außenminister. Konservative wie die
Europäische Volkspartei, für die Weber antritt, wollten nur den
Status quo verwalten, während Nationalisten das europäische Projekt
zerstören wollten. Die Europäer müssten wählen zwischen Demokratie,

Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte auf der einen
und der Rückkehr von reiner Machtpolitik auf der anderen Seite.

Seine Ziele seien bessere Löhne, mehr Schutz für kleine Dienstleister
wie Pizzaboten, eine faire Besteuerung von Digitalriesen und
«Superreichen», ein Abbau der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen
,
Schutz vor sexueller Gewalt und ein Klima- und Umweltschutz mit
Hilfen für die vom Wandel betroffenen Bürger. «Das ist zu schaffen,
es braucht nur den Willen, es zu tun», sagte Timmermans.

In der Migrationspolitik warb er für Integration und eine viel engere
Zusammenarbeit mit Afrika. Die Aufgabe sei vergleichbar mit der
Aussöhnung von Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
«Es ist eine Schicksalsfrage», sagte er. Verfalle man darauf,
Zuwanderer nicht mehr als Menschen zu sehen, sterbe die eigene
Menschlichkeit und «dann sind wir keine Europäer mehr».

SPD-Chefin Andrea Nahles beglückwünschte Timmermans auf Twitter und
schrieb: «Europa ist am Scheideweg. Bewegen wir uns auf größere
Solidarität zu oder auf «unsere Nation zuerst?»» Es stehe viel auf

dem Spiel. Die SPD wollte am Sonntag in Berlin die deutschen
Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai küren:
Bundesjustizministerin Katarina Barley und den Chef der
sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Udo Bullmann.

Die Sozialdemokraten hatten bei der Europawahl 2014 EU-weit 25,4
Prozent der Stimmen bekommen, in Deutschland sogar 27,3 Prozent.
Umfragen sehen sie derzeit europaweit bei etwa 20 Prozent, in
Deutschland bei etwa 15. Nach - vorerst noch sehr vagen -
Projektionen hätte die Fraktion im Europaparlament etwa 140 von
künftig 705 Sitzen. Die EVP käme auf 180 Sitze.

Fraktionschef Bullmann gab sich dennoch optimistisch. «Wir werden in
Deutschland wieder kommen, da bin ich mir ganz sicher», sagte er der
Deutschen Presse-Agentur. Timmermans habe gute Chancen, nächster
EU-Kommissionspräsident zu werden. Möglich werden könnte dies nach
Bullmanns Worten mit einem Bündnis progressiver Kräfte aus
Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken im nächsten Parlament.