Brexit: Schicksalstage für Großbritannien und die EU

10.12.2018 04:22

London (dpa) - Ist dies die Woche, in der der Exit vom Brexit
beginnt? Zumindest stehen jeden Tag Entscheidungen an, die das
ungeheuer schwierige und umstrittene Vorhaben des britischen
EU-Austritts in eine neue Richtung lenken könnten. Vor allem im
Blickpunkt: das Votum des britischen Parlaments über den Brexit-Plan
von Premierministerin Theresa May.

HEUTE:

Der Europäische Gerichtshof fällt sein Urteil, ob Großbritannien
seinen Antrag für den EU-Austritt vom März 2017 einseitig
zurückziehen und den Brexit damit stoppen könnte. Die EU-Seite geht
bisher davon aus, dass die übrigen Staaten der Gemeinschaft zustimmen
müssten. Der zuständige EuGH-Generalanwalt meint jedoch, die
Entscheidung liege allein in London. Folgen ihm die Richter, wäre die
Schwelle für eine Abkehr vom Brexit viel niedriger als gedacht.

DIENSTAG:

Für den weiteren Verlauf ist dies der Tag der Tage: Das britische
Unterhaus entscheidet über das äußerst mühsam zwischen London und
Brüssel ausgehandelte Vertragspaket über den Austritt und die
künftigen Beziehungen. Im Parlament ist aber keine Mehrheit für den
Deal absehbar. Den strikten Brexit-Befürwortern ist die Anbindung an
die EU zu eng und zu dauerhaft, den Gegnern ist sie zu gering und zu
kompliziert. Die nordirische DUP, auf deren Stimmen May eigentlich
angewiesen wäre, rebelliert gegen einen vorgesehenen Sonderstatus für
das britische Nordirland. Kann May dennoch irgendwie genügend Stimmen
zusammen bekommen? Unwahrscheinlich. Die Entscheidung fällt abends.

MITTWOCH:

Scheitert Mays Plan im Parlament, muss sie entweder noch einmal
abstimmen lassen - oder es braucht einen Plan B. Aus der britischen
Regierung und der Opposition mehren sich Signale, dass dann eine
engere Anbindung an die EU erwogen werden könnte, zum Beispiel der
Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion. Nicht mehr völlig undenkbar
ist ein zweites Referendum. Am Tag nach der Abstimmung werden alle
Seiten anfangen, sich zu sortieren. In Straßburg berät das
Europaparlament, wie es aus Sicht der EU weiter gehen könnte.

DONNERSTAG UND FREITAG:

In Brüssel kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem letzten
Gipfel des Jahres zusammen und haben eigentlich ganz andere Themen
auf der Tagesordnung - Migration, Klima, Russland-Sanktionen,
Euroreformen. Die Brexit-Entscheidung dürfte aber zunächst alles
überlagern. Wie wird die EU reagieren? Die Brexiteers wollen, dass
May nachverhandelt und Zugeständnisse herausholt. Die EU-Seite
schließt das bisher aus. Die andere Frage: Wird vielleicht die
Ausstiegsphase verlängert? Diese endet nach Artikel 50 der
EU-Verträge eigentlich genau zwei Jahre nach dem Austrittsantrag,
also am 29. März 2019. Doch auf Antrag Großbritanniens könnten die 27

bleibenden EU-Staaten eine Verlängerung herbeiführen.