Deutschland wirbt für UN-Migrationspakt - Merkel reist zu Konferenz

09.12.2018 14:27

Trotz der Kritik steht Deutschland zum umstrittenen
UN-Migrationspakt. Kanzlerin Merkel wird am Montag bei der Konferenz
in Marrakesch zur Annahme des Dokuments sprechen.

Marrakesch/Berlin (dpa) - Kurz vor Annahme des UN-Migrationspakts hat
Deutschland für die internationale Vereinbarung geworben und deren
Gegner kritisiert. Der Pakt biete «erstmals einen internationalen
Rahmen, um Migration aktiv zu steuern, zu ordnen und zu regeln»,
sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) dem «Spiegel». Das
Dokument soll am Montag in Marrakesch angenommen werden. Jede
Ablehnung sei «Wasser auf die Mühlen derer, die böswillige
Desinformationskampagnen gegen den Pakt fahren», sagte Maas.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) flog am Sonntag nach Marokko, wo sie am
frühen Abend zunächst König Mohammed VI. treffen wollte. Später war

ein Abendessen mit Ministerpräsident Saad Eddine El Othmani geplant.
Merkel spricht am Montagmorgen auf der UN-Konferenz zur Annahme des
Migrationspakts, bevor sie wieder nach Berlin zurückfliegt.

In Belgien zerbrach am Sonntag im Streit um den Pakt die Koalition.
Die flämische Regionalpartei N-VA lehnt den Vertrag ab. Sie verließ
am Sonntag die Regierung, weil der frankophone Ministerpräsident
Charles Michel darauf bestand, zur Konferenz in Marrakesch zu reisen.

Der Pakt enthält 23 Ziele, auf deren Basis die internationale
Migrationspolitik verbessert werden soll, um gegen illegale und
ungeordnete Migration vorzugehen und Migration sicherer für die
Menschen zu machen. Die Vereinbarung - die rechtlich nicht bindend,
aber politisch verpflichtend ist - umfasst eine Reihe von Leitlinien
und Maßnahmen. Dazu gehört eine Verbesserung der Lebensbedingungen in
den Herkunftsländern, ein Schutz der Migranten vor Ausbeutung und vor
Benachteiligung in den Aufnahmeländern.

Die Migrationspakt war von allen UN-Mitgliedern außer den USA
ausgehandelt worden. Obwohl das Dokument ausdrücklich die geltende
Souveränität der Mitgliedsstaaten betont, fürchten einige Länder um

ihre nationale Hoheit. Mehrere Regierungen hatten das Papier in den
vergangenen Wochen abgelehnt - darunter Ungarn, Österreich, Polen,
Tschechien, Bulgarien, Australien, die Slowakei und Israel. Die
EU-Kommission rief hingegen alle Mitglieder zur Unterstützung auf.

Polen wollte - anders als die meisten anderen Gegner - trotz der
Ablehnung eine Delegation nach Marrakesch schicken. Die Schweiz und
Italien werden nicht vertreten sein, weil die Regierungen in Bern und
Rom erst die Parlamente entscheiden lassen wollen. Die Annahme des
Paktes in Marrakesch gilt trotzdem als sicher.

In Deutschland hatte die AfD eine Debatte darüber entfacht. Sie
warnte vor einem Verlust nationaler Souveränität und einer
«Beschleunigung und Vervielfachung der Zuwanderung». Doch der
Bundestag stellte sich mehrheitlich hinter die Vereinbarung und
betonte, diese entfalte «keinerlei rechtsändernde oder rechtssetzende
Wirkung». Dazu gehöre, dass deutsche Gesetze etwa im Ausländer- und
Sozialrecht sowie behördliche und gerichtliche Entscheidungen
uneingeschränkt gälten. Auch der CDU-Parteitag nahm einen Antrag des
Bundesvorstandes zum Migrationspakt mit großer Mehrheit an.

Justizministerin Katarina Barley (SPD) warnte mit Blick auf Kritik am
Migrationspakt vor einer Vermengung von Begrifflichkeiten. «Bitte
verwechseln Sie nicht Migration und Flucht», sagte sie der
«Süddeutschen Zeitung» mit Verweis auf den UN-Flüchtlingspakt. Dies
er
werde gerade zum Thema Flucht ausgehandelt. «Genau damit befasst sich
unser Pakt nämlich nicht, sondern mit Migration - zum Beispiel zum
Arbeiten, zur Ausbildung oder auch aus Liebe.»

Migranten sind nach der Definition der Internationalen Organisation
für Migration (IOM) alle Menschen, die ihren Wohnort verlassen - egal
aus welchen Gründen, egal wie lange und egal ob freiwillig oder
unfreiwillig. Die UN zählte 2017 weltweit 258 Millionen Migranten.

Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, betonte, der Pakt
bekräftige die in Europa gültigen Rechte und müsse zur Veränderung

der Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU führen. «Nacht- und
Nebelabschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan»
seien rechtsstaats- und menschenrechtswidrig und müssten ebenso
aufhören wie das «tausendfache Sterben an Europas Grenzen».