Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus wird verschoben

10.12.2018 16:54

Im letzten Moment macht die britische Premierministerin Theresa May
einen Rückzieher bei der Abstimmung über den Brexit-Deal. Immer
deutlicher hatte sich abgezeichnet, dass sie eine krachende
Niederlage zu erwarten hatte. Nun will sie nachverhandeln.

London (dpa) - Die Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen
Parlament wird verschoben. Das sagte Premierministerin Theresa May am
Montag vor den Abgeordneten in London. Der Termin war ursprünglich
für Dienstagabend angesetzt. Zunächst war unklar, wann die Abstimmung
stattdessen abgehalten werden soll.

Grund für den Schritt sei der sich abzeichnende Widerstand im
Parlament gegen den sogenannten Backstop im Brexit-Abkommen, sagte
May. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass zwischen dem
britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit
wieder Grenzkontrollen eingeführt werden.

May will nun vor dem EU-Gipfel Ende der Woche mit ihren Amtskollegen
aus der EU und den Spitzen von EU-Kommission und Europäischem Rat die
«klaren Bedenken» des Parlaments diskutieren. Von EU-Seite hatte es
am Montag jedoch die klare Ansage gegeben, dass es keine
Nachverhandlungen des Abkommens geben wird.

Großbritannien will in weniger als vier Monaten - Ende März 2019 -
aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Sollte bis dahin kein
Abkommen ratifiziert sein, droht ein ungeregelter Austritt aus der
Europäischen Union mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und
andere Lebensbereiche.

Etwa 100 Abgeordnete aus Mays Konservativer Partei hatten
angekündigt, das vorliegende Brexit-Abkommen nicht zu unterstützen.
Vielen von ihnen fürchten eine zu starke Bindung an die EU. Auch die
nordirische DUP, auf deren Stimmen May angewiesen ist, kündigte
Widerstand ab. Sie lehnt Sonderregelungen für Nordirland ab.
Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht seine Chance in einer Neuwahl.

Mays Posten als Premierministerin wackelt mehr denn je. Britischen
Medien zufolge stehen mehrere Politiker als mögliche Nachfolger in
der Startposition, darunter Innenminister Sajid Javid und
Ex-Außenminister Boris Johnson, einer der größten Widersacher Mays.


Neben Nachverhandlungen mit Brüssel wird in Großbritannien auch über

ein zweites Brexit-Referendum spekuliert. Beim ersten Referendum 2016
hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Briten für die Löslösung von

der Europäischen Union ausgesprochen.

Denkbar ist auch ein Rückzieher vom Brexit. Die Schwelle dafür ist
niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs in Luxemburg hervorgeht. Großbritannien könnte demnach
den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EU-Länder stoppen.