im 8. Absatz) Abstimmung zu Brexit-Abkommen im britischen Unterhaus wird verschoben

10.12.2018 17:28

Im letzten Moment macht die britische Premierministerin Theresa May
einen Rückzieher bei der Abstimmung über den Brexit-Deal. Immer
deutlicher zeichnete sich zuvor eine krachende Niederlage ab. Nun
will sie nachverhandeln.

London/Luxemburg (dpa) - Die Abstimmung über das Brexit-Abkommen im
britischen Parlament wird verschoben. Das sagte Premierministerin
Theresa May am Montag vor den Abgeordneten in London. Der Termin war
ursprünglich für Dienstagabend angesetzt. Wann die Abstimmung
stattdessen abgehalten werden soll, war zunächst unklar.

May will nun mit ihren Amtskollegen aus den EU-Staaten und den
Spitzen der Europäischen Union nachverhandeln. Doch die Rufe nach
einem Rücktritt der Regierungschefin und nach einem zweiten
Brexit-Referendum werden immer lauter.

Grund für den Schritt sei der sich abzeichnende Widerstand im
Parlament gegen den sogenannten Backstop im Brexit-Abkommen, sagte
May. «Als Resultat würde der Deal mit großem Abstand abgelehnt
werden, wenn wir morgen fortfahren und die Abstimmung abhalten
würden.» Mit dem Backstop soll verhindert werden, dass zwischen dem
britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit
wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. In diesem Fall würde ein
Wiederaufflammen des Konflikts in der Ex-Bürgerkriegsregion
befürchtet.

May will nun vor dem EU-Gipfel Ende der Woche mit ihren Amtskollegen
aus der EU und den Spitzen von Kommission und Europäischem Rat die
«klaren Bedenken» des Parlaments diskutieren. Aus Brüssel hatte es am

Montag jedoch die klare Ansage gegeben, dass es keine
Nachverhandlungen des Abkommens geben wird.

«Dieser Deal ist der beste Deal und der einzige mögliche Deal»,
bekräftigte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. «Wir werden die
Vereinbarung, die jetzt auf dem Tisch liegt, nicht nachverhandeln.»

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete die
Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, als «erbärmliche
Feigheit». Die konservative Regierungspartei stelle damit ihre eigene
Interessen über die des Landes, so Sturgeon. Der Chef der
oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, forderte May auf,
entweder beim Abkommen nachzuverhandeln oder eine Neuwahl auszurufen.
«Wir haben keine funktionierende Regierung», so Corbyn.

Großbritannien will in weniger als vier Monaten - Ende März 2019 -
aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Sollte bis dahin kein
Abkommen ratifiziert sein, droht ein ungeregelter Austritt aus der EU
mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche.


Etwa 100 der 315 Abgeordneten aus Mays Konservativer Partei hatten
angekündigt, das vorliegende Brexit-Abkommen nicht zu unterstützen.
Viele von ihnen fürchten eine zu starke Bindung an die EU. Auch die
nordirische DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Regierung im Parlament
angewiesen ist, kündigte Widerstand an. Sie lehnt Sonderregelungen
für Nordirland ab. Von der Opposition darf sich May ebenfalls keine
Unterstützung erhoffen. May braucht mindestens 320 Ja-Stimmen, um den
Deal sicher durch das Parlament zu bringen.

Mays Posten als Premierministerin wackelt mehr denn je. Britischen
Medien zufolge stehen mehrere Politiker als mögliche Nachfolger in
der Startposition, darunter Innenminister Sajid Javid und
Ex-Außenminister Boris Johnson, einer der größten Widersacher Mays.

«Wir können nicht so weitermachen wie jetzt», sagte einer der
schärfsten Kritiker, der Tory-Politiker Jacob Rees-Mogg. «Die
Premierministerin muss entweder regieren oder aufgeben.»

Neben Nachverhandlungen mit Brüssel wird in Großbritannien auch über

ein zweites Brexit-Referendum spekuliert. Beim ersten Referendum 2016
hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Briten für die Löslösung von

der Europäischen Union ausgesprochen.

Denkbar ist auch ein Rückzieher vom Brexit. Die Schwelle dafür ist
niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs in Luxemburg hervorgeht. Großbritannien könnte demnach
den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EU-Länder stoppen.
Die britische Regierung erklärte umgehend, das spiele keine Rolle.

Die britische Regierung hatte am 29. März 2017 die übrigen EU-Staaten
offiziell darüber informiert, dass das Land die EU verlassen will.
Damit begann ein zweijähriges Austrittsverfahren nach Artikel 50 der
EU-Verträge, das planmäßig mit dem Brexit genau zwei Jahre später a
m
29. März 2019 endet. Die EU-Kommission und der Rat der
Mitgliedsländer hatten vor dem EuGH argumentiert, das Verfahren lasse
sich nur mit einem einstimmigen Beschluss des Rats stoppen.