Orban nennt Wahlziel für Europawahl: Mehrheiten gegen Migration

10.01.2019 18:09

Ungarns Regierungschef stellt sich nur selten den Medien. Sein
jüngster Auftritt vor Journalisten lässt sich auch als Auftakt zu
seinem Europawahlkampf deuten. Wie reagierte Viktor Orban auf Fragen
nach der Korruption in seinem Umfeld?

Budapest (dpa) - Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban will
die im Mai anstehenden Wahlen zum Europaparlament zum Votum gegen
jede Art von Migration machen. «Ungarns Ziel ist es, dass (...) die
migrationsablehnenden Kräfte im Europaparlament, dann in der
Europäischen Kommission und schließlich, als Ergebnis nationaler
Wahlen, im Europäischen Rat (der Staats- und Regierungschefs) die
Mehrheit erlangen», erklärte der rechtsnationale Politiker am
Donnerstag auf einer seltenen Pressekonferenz in Budapest.   

«Die traditionelle Einteilung der Parteien in rechts und links ist
einer Einteilung in migrationsfördernd und migrationsablehnend
gewichen», sagte er weiter.

Orban war sichtlich bemüht, die gesamte europäische Politik auf die
Haltung zur Migrationsfrage zu reduzieren. Diese sei «in den nächsten
15 bis 20 Jahren die wichtigste Schicksalsfrage für Europa». Dort
gebe es derzeit «zwei Zivilisationen», führte er weiter aus. Einer
«gemischten christlich-muslimischen Zivilisation» stehe eine
«christ-demokratische Zivilisation» gegenüber, der er sich selbst und

sein Land zurechnet.

Orban betreibt in Ungarn eine Politik der Abschottung und
Abschreckung gegenüber Flüchtlingen und Migranten. Während Orbans
Fidesz-Partei und rechts-populistische Kräfte wie die deutsche AfD
oder die italienische Lega von Innenminister Matteo Salvini dem
Orbanschen Kriterium einer «migrationsablehnenden» Partei
entsprechen, gilt dies in weitaus geringerem Maße für die meisten
Mitgliedsparteien der Europäischen Volkspartei (EVP), der die
ungarische Fidesz-Partei angehört.

Als Modell für das von ihm propagierte «moderne christ-demokratische
Europa» bezeichnete er Brasilien unter seinem neuen
rechts-populistischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Ihm gefalle dessen
Losung «Brasilien vor allem, Gott über allem», meinte Orban. Der
Ungar hatte am Neujahrstag demonstrativ an der Amtseinführung
Bolsonaros teilgenommen. Orban tritt selten vor die Medien. Seine
letzte Pressekonferenz hatte er unmittelbar nach seinem letzten
Wahlsieg im April des Vorjahrs gegeben.

Auch Journalisten von unabhängigen Medien konnten dem mächtigen
Regierungschef zwei Stunden lang auf den Zahn fühlen. Kritischen
Fragen zur mutmaßlichen Korruption in seinem familiären und
geschäftlichen Umfeld wich er allerdings aus oder ließ sie
unbeantwortet. «Ich bin Politiker und beschäftige mich nicht mit
geschäftlichen Dingen», behauptete er mehrfach.

Die Opposition kritisierte Orban wegen seiner aus ihrer Sicht
europafeindlichen Rhetorik. «Der höchste Feudalherr des neuzeitlichen
ungarischen Feudalismus unternahm einen missglückten Versuch, die
(jüngsten) Straßenproteste (gegen die Regierung) vergessen zu
machen», erklärte der sozialistische Europaabgeordnete Istvan
Ujhelyi.