Berlin und Athen pochen auf solidarische EU-Flüchtlingspolitik Von Takis Tsafos, Jörg Blank und Alexia Angelopoulou, dpa

11.01.2019 15:33

Seit langem verlangt Kanzlerin Merkel in der EU vergebens mehr
Gemeinsamkeit beim Umgang mit Flüchtlingen. In Athen findet sie dafür
Unterstützung. Die Hardliner in Europa dürfte das kaum umstimmen.

Athen (dpa) - Deutschland und Griechenland pochen angesichts der
dramatischen Flüchtlingslage auf einigen Ägäis-Inseln darauf, dass
die EU das Migrationsproblem gemeinsam und solidarisch angeht. «Auf
Dauer kann es nicht akzeptabel sein, dass einige europäischen Länder
sagen, dieses Problem interessiert uns überhaupt nicht», sagte
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag bei Gesprächen in Athen. Nur
mit Solidarität sei die Flüchtlingskrise zu bewältigen - darin teile

sie die griechische Position.

Der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos sagte, nur
gemeinsam in der EU könne man das Problem angehen. Er würdigte die
Migrationspolitik Merkels angesichts deutscher Kritik an ihrem Kurs
als geradezu historisch. Die Kanzlerin habe große Courage bewiesen.

Merkel kritisierte: «Wir haben einige Länder, die sagen: Wenn wir
Flüchtlinge aufnehmen, dann geben wir damit das Signal, dass wir
illegale Migration fördern, und das ist das falsche Signal. Wir
müssen abschrecken», erklärte die Kanzlerin Schülern bei einem Besu
ch
der Deutschen Schule Athen und stellte klar: «Ich glaube nicht an
diese Abschreckung. Also: Ich muss nur alles schrecklich genug
machen, dann wird keiner mehr kommen.» Es müssten vielmehr in den
Herkunftsländern der Flüchtlinge Perspektiven geschaffen werden.

Eine Absage gab es an die Türkei. Angesichts der türkischen Defizite
bei Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit sehe sie auf absehbare
Zeit nicht, dass das Land Mitglied der EU sein werde. Dennoch sollten
die Verhandlungen nicht einfach abgebrochen werden. «Das würde mehr
Verletzungen mit sich bringen.» Die Kanzlerin erinnerte daran, dass
sie stets gegen eine Mitgliedschaft und stattdessen für eine
«besondere Partnerschaft» gewesen sei.

Auf die Frage nach einer europäischen Armee sagte Merkel, sie gehe
davon aus, dass es bis dahin noch lange dauern werde. Den Grund dafür
sieht die Kanzlerin vor allem auch in der Bundesrepublik. «Wir in
Deutschland werden große Probleme haben auf dem Weg zu einer
europäischen Armee, weil bei uns jeder militärische Einsatz vom
Parlament bestätigt werden muss.»

Natürlich sei das schwierig für die anderen Länder, wenn in
Deutschland jedes Mal das Parlament zustimmen müsse. Die anderen
fragten sich dann, ob sie sich auf solch einen Kameraden, solch ein
Land verlassen könnten.

Die gleiche Problematik bestehe bei gemeinsamen Waffensystemen, die
für eine europäische Armee entwickelt werden müssten, und deren
möglichem Export, sagte Merkel. «Deutschland hat, auch aus seiner
Vergangenheit heraus, sehr strenge Richtlinien, wem wir Waffen
liefern. Also sind wir auch da kein ganz einfacher Partner.»

Es sei schwierig etwa für Frankreich, wenn man einen gemeinsamen
Panzer oder ein gemeinsames Flugzeug entwickele und es anschließend
beim Export von einem der Partner heißen würde, man wolle nicht in
die Türkei oder nach Saudi-Arabien exportieren. Über solche
Grundsätze müsse man sich einig werden, um für die Partnerländer
verlässlich zu sein.

Nach einem Gespräch mit ihrem Parteifreund, dem Chef der
konservativen griechischen Partei Nea Dimokratia, Kyriakos
Mitsotakis, betonte Merkel, es sei bei den unterschiedlichen
Meinungen im Namensstreit Griechenlands mit Mazedonien geblieben. Es
sei aber in aller Interesse, dass das Problem gelöst und der
westliche Balkan stabilisiert werden könnten.

Sie hoffe auf eine Mehrheit im mazedonischen Parlament für den
Kompromiss, das Land in Nord-Mazedonien umzubenennen. «Wir waren der
Lösung dieser Frage noch nie so nah wie jetzt.» Konservative und
nationalistische Griechen befürchten, das Nachbarland könne
Gebietsansprüche auf die nordgriechische Provinz Mazedonien erheben,
und sind deshalb gegen den neuen Namen.