May muss sich nach Brexit-Klatsche Misstrauensvotum stellen

16.01.2019 06:17

24 Stunden nach der katastrophalen Brexit-Abstimmung steht
Großbritanniens Premierministerin May vor dem nächsten entscheidenden
Votum: Die Opposition stellt die Vertrauensfrage. Doch May plant
schon weiter.

London (dpa) - Nach dem vernichtenden Votum des britischen Parlaments
zum Brexit-Deal muss sich Premierministerin Theresa May am Mittwoch
einer Misstrauensabstimmung stellen. Am Abend (20.00 Uhr MEZ)
entscheidet das Parlament, ob es der konservativen Regierung das
Vertrauen entzieht. Schon am Morgen berät das Europaparlament in
Straßburg, in Brüssel analysieren EU-Kommissionspräsident Jean-Claude

Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk die Folgen der Abstimmung.

Das britische Parlament hatte das zwischen Brüssel und London
ausgehandelte Brexit-Abkommen am Dienstagabend überraschend deutlich
abgelehnt. Mit 432 zu 202 Stimmen votierten die Abgeordneten in
London klar gegen den Deal von Premierministerin Theresa May.

Die oppositionelle Labour-Partei stellte den Misstrauensantrag sofort
nach der Abstimmung. Parteichef Jeremy Corbyn sprach von einer
katastrophalen Niederlage für May und dem größten Scheitern einer
Regierung seit den 1920er Jahren. Es wird allerdings damit gerechnet,
dass May die Vertrauensfrage übersteht.

Die Premierministerin kündigte an, sich in dem Fall mit Vertretern
aller Parteien zu treffen, um einen Ausweg zu suchen. Bereits am
kommenden Montag wolle sie dem Parlament dann einen Plan B vorlegen,
um einen chaotischen EU-Austritt Großbritanniens doch noch zu
verhindern, sagte sie.

Großbritannien will die Europäische Union am 29. März verlassen. We
nn
ein Austritt ohne Abkommen verhindert werden soll, muss es bis dahin
eine Einigung geben - sonst wird mit chaotischen Folgen für die
Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet.

Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer sieht kaum noch Möglichkeiten,
einen ungeregelten Austritt abzuwenden. «Die Alternativen sind hart,
aber unausweichlich: Entweder wird Artikel 50 zurückgezogen - mit
oder ohne neue Volksabstimmung -, oder es kommt zu einem harten
Brexit der übelsten Art», sagte er in Brüssel. «Wer jetzt noch von

Neuverhandlungen schwadroniert, ist ein Scharlatan.» Artikel 50 des
EU-Vertrags von Lissabon regelt, dass sich die Parteien für die
Austrittsverhandlungen zwei Jahre Zeit lassen können. Die Frist läuft
am 29. März 2019 aus.

Die designierte Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl, Nicola
Beer, forderte einen EU-Sondergipfel innerhalb von 48 Stunden. Beer
sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die Lage in Großbritannien sowie
in der EU nach der Niederlage von Theresa May nach der Abstimmung ist
dramatisch. Die EU muss sofort darauf reagieren.» Es müsse umgehend
ausgelotet werden, «welche Schritte die EU gehen kann, um
sicherzustellen, dass es einen geordneten Brexit gibt und sich danach
so enge Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien wie möglich
entwickeln können».

Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erteilte
Nachverhandlungen zum Abkommen eine klare Absage. Großbritannien
müsse für Stabilität sorgen, sagte sie den Zeitungen der
Funke-Gruppe. «Wir unterstützen Großbritannien auf seinem Weg, aber
Nachverhandlungen zu dem Abkommen wird es nicht geben.» Zugleich
warnte sie, ein ungeordneter Austritt hätte «dramatische Folgen für
Großbritannien, für Deutschland und für Europa». Barley hat selbst

einen britischen Pass. «Ich bin Britin seit meiner Geburt und werde
das auch bleiben», kündigte sie an.