Der Brexit und die Europawahl

05.04.2019 15:07

Brüssel (dpa) - Die Europawahl vom 23. bis 26. Mai gilt als
Knackpunkt bei einer Verschiebung des derzeit für den 12. April
geplanten Brexits. Denn als EU-Mitglied muss Großbritannien
Abgeordnete wählen lassen.

Juristische Gutachter waren sich uneins über den entscheidenden
Termin: Einige EU-Experten hielten das Wahldatum für maßgeblich;
andere sahen Spielraum bis zur konstituierenden Sitzung des neuen
Parlaments am 2. Juli.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten bei ihrem Gipfel Ende März
kein rechtliches Risiko eingehen und entschieden sich für den Tag vor
Beginn der Europawahl als Fristende - also den 22. Mai. Sie wollten
nicht, dass rechtliche Zweifel oder Anfechtungsklagen das neue
Parlament lahmlegen, wenn Großbritannien Anfang Juli doch noch
Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat.

Deshalb gewährten die 27 bleibenden Staaten ohne Bedingungen zunächst
nur einen Aufschub bis zum 12. April: Das ist der letzte Tag, an dem
Großbritannien nach eigenem Recht eine Europawahl ansetzen könnte.
Nur wenn London das bereits dreimal abgelehnte Austrittsabkommen doch
noch annähme, sollte ein Aufschub bis zum 22. Mai gelten. Das ist
bisher aber nicht gelungen.

Am 10. April, dem nächsten Mittwoch, soll ein EU-Sondergipfel erneut
beraten. Die britische Premierministerin Theresa May hat eine
Verlängerung bis zum 30. Juni beantragt und angesichts der
EU-Bedenken in Aussicht gestellt, zur Sicherheit eine Teilnahme ihres
Landes an der Europawahl vorzubereiten. Schafft man einen geregelten
Austritt vor dem 23. Mai, würde sie die Wahl absagen.

EU-Ratschef Donald Tusk plädiert dafür, die Frist gleich für zwölf

Monate zu verlängern und die Briten in jedem Fall mitwählen zu
lassen. In beiden Fällen würde Großbritannien also noch einmal
Abgeordnete bestimmen, die wohl während der fünfjährigen Legislatur
ausscheiden würden.

Für die EU brächte dies zwei Probleme. Die mit Blick auf den Brexit
beschlossene Verkleinerung des Hauses von 751 auf 705 Sitze fiele
vorerst aus. Auch die mit dem Gesetz beschlossene Neuverteilung von
27 der bisher 73 britischen Sitze läge auf Eis. Frankreich und
Spanien sollten zum Beispiel jeweils fünf Mandate mehr bekommen, die
Niederlande drei, Irland zwei. Für Deutschland ändert die Reform
nichts.

Die Verkleinerung und die neue Aufteilung würde dann nach Angaben aus
dem Parlament zum Zeitpunkt des Brexits nachgeholt. Auf die freien
Plätze würden Kandidaten von hinteren Listenplätzen nachrücken.

Das andere Problem: Die britischen Abgeordneten dürften kurz vor dem
EU-Austritt noch einmal die Geschicke der Gemeinschaft mitbestimmen,
etwa bei der Wahl der neuen EU-Kommission. Etliche Abgeordnete
bewerten dies kritisch.