Deutschland und die Visegrad-Staaten wollen enger zusammenarbeiten

07.02.2019 16:32

Es war eine schwierige Reise. Doch selbst bei der Flüchtlingspolitik
gab es beim Treffen von Kanzlerin Merkel mit der Visegrad-Gruppe
freundliche Worte. Aber wie lange halten die Freundlichkeiten an?
Noch ist die neue EU-Finanzplanung nicht unter Dach und Fach.

Bratislava (dpa) - Autoindustrie, EU oder Entwicklungshilfe -
Deutschland und die vier Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien
und die Slowakei wollen nach jahrelangen Zwistigkeiten wieder enger
zusammenarbeiten. Besonders auffällig dabei ist ein gemeinsames
Entwicklungsprojekt in Marokko zur Bekämpfung von Fluchtursachen,
zumal die Vierergruppe bisher die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin
vehement ablehnte und sich einem Verteilungsschlüssel von
Flüchtlingen in der EU widersetzte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstag in der slowakischen
Hauptstadt Bratislava bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den
Regierungschefs der Gruppe, für sie sei das ein Beispiel, dass man
auch in diesem Bereich enger zusammenarbeiten wolle. Die Anregung zu
dem Projekt kam den Angaben zufolge vom Gastgeber, dem slowakischen
Ministerpräsidenten Peter Pellegrini. Details zu dem Vorhaben wurden
nicht genannt.

Zurückhaltend reagierte Merkel auf Berichte, Frankreich unterstütze
Deutschland nicht mehr beim Ostsee-Pipelineprojekt Nord Stream 2. Sie
sagte am Rande des Treffens, es sei nichts Neues, dass es hierzu
unterschiedliche Meinungen gebe. Für sie sei wichtig, dass die
Ukraine weiter Transitland bleibe für russisches Gas. Und sie sehe
auch nicht, dass sich Deutschland oder Europa durch die
deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von
Russland begebe. Deutschland wolle ja auch Anlagen einrichten für
Flüssiggas aus den USA.

Die Visegrad-Staaten sind ausgesprochene Gegner des
deutsch-russischen Projektes, hielten sich bei der gemeinsamen
Pressekonferenz in Bratislava aber bei diesem Thema zurück.

Massiv unzufrieden zeigten sich die Visegrad-Staaten mit dem
Finanzentwurf der EU-Kommission für die nächsten Jahre. Merkel sagte
dazu, die Haushaltsplanung für die kommenden Jahre werde mit dem
Austritt des Nettozahlers Großbritannien aus der EU besonders
schwierig, aber noch habe man immer eine Lösung gefunden.

Merkel hob sowohl bei einem bilateralen Treffen mit Pellegrini als
auch im Fünfer-Kreis hervor, dass Deutschland auch die Zusammenarbeit
in der Wirtschaft, und hier insbesondere in der Automobilindustrie,
mit diesen Staaten ausbauen wolle. Themen seien unmweltfreudliche
Antriebe und Digitalisierung im Verkehr. Der Handelsaustausch
Deutschlands mit den vier Visegrad-Staaten insgesamt ist den Angaben
zufolge größer als der mit China oder den USA.

Merkel geht davon aus, dass noch eine Einigung mit Großbritannien für
einen geordneten Austritt möglich ist, ohne das Brexit-Abkommen
wieder aufzuschnüren. Man wolle alles tun, was möglich sei, um in den
verbleibenden 50 Tagen einen geordneten Brexit zu erreichen, sagte
sie. London müsse aber endlich sagen, was es wolle. Allerdings müsse
die EU dabei auf die Integrität ihres Binnenmarktes achten und ihr
Mitglied Irland schützen.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zeigte sich überzeugt, dass
die Europawahl im Mai Europa verändern werde. Er kritisierte, dass
derzeit ein «Kern-Europa» weitgehend das Sagen habe. Er verlangte,
dass in der EU in Zukunft die «demokratischen Grundregeln»
eingehalten werden.

Offizieller Anlass des Treffens war der 30. Jahrestag des Mauerfalls.
Merkel hob hervor, dass die politische Wende in den Ländern der
Visegrad-Gruppe wesentlich dazu beigetragen hätte, dass die
Wiedervereinigung Deutschlands friedlich stattfinden konnte.

Die Bundeskanzlerin sagte Pellegrini Unterstützung im slowakischen
Bemühen zu, Bratislava zum Sitz der Europäischen Agentur für Arbeit
zu machen. Die Slowakei sei mittlerweile fast das einzige
Mitgliedsland, in dem noch keine EU-Institution ihren Sitz habe,
beklagte der Sozialdemokrat Pellegrini.

Die enge Verknüpfung mit Deutschland ist ein wesentlicher Grund
dafür, dass die Slowakei zum Missfallen Orbans in europäischen
Streitfragen wiederholt aus der Verweigerungsfront der
Visegrad-Gruppe ausscherte. So gehört die Regierung in Bratislava
zwar auch zu den Kritikern von Merkels Flüchtlingspolitik, zeigt sich
aber stets gerade so weit kompromissbereit, dass sie als einziger der
Visegrad-Staaten nicht mit einer EU-Klage wegen der Verweigerung der
Flüchtlingsaufnahme aus Italien und Griechenland eingedeckt wurde.