Streit um Gas-Pipeline: Frankreich stellt sich gegen Deutschland

07.02.2019 18:38

Seit langem gibt es Skepsis gegenüber Nord Stream 2. Vor allem die
USA sehen die Erdgas-Pipeline von Russland nach Europa kritisch. Nun
kommt auch Frankreich Deutschland in die Quere - völlig überraschend.

Paris/Berlin/Brüssel (dpa) - Der Streit über die Erdgas-Pipeline Nord
Stream 2 von Russland nach Deutschland eskaliert und wird zu einer
schweren Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen.
Wie das französische Außenministerium am Donnerstag bestätigte,
unterstützt Frankreich ab sofort Änderungspläne für eine
EU-Richtlinie, die eine deutlich strengere Regulierung des
Pipeline-Projekts zum Ziel haben. Frankreich stellt sich damit
frontal gegen seinen engsten EU-Partner Partner Deutschland. Berlin
lehnt das geplante Vorhaben strikt ab.

Durch die 1200 Kilometer lange Leitung soll russisches Gas nach
Europa strömen, die Rohre in der Ostsee sind bereits zu einem Viertel
verlegt. Vor allem die USA, aber auch osteuropäische Staaten sehen
das Milliardenprojekt jedoch kritisch.

Über die Änderung der EU-Gasrichtlinie könnte Nord Stream 2 gezwungen

werden, weitreichende Auflagen zu erfüllen, die bislang nur für
Leitungen innerhalb der EU gelten. Dazu zählt zum Beispiel die, das
ein Gaslieferant nicht gleichzeitig Betreiber einer Leitung sein
darf. Bei Nord Stream 2 ist dies bislang der Fall. Das Projekt wird
von dem russischen Energiekonzern Gazprom gesteuert. Zusätzliche
Auflagen könnten das Projekt weniger profitabel oder sogar
unwirtschaftlich zu machen.

Ein Erfolg der Pläne für die EU-Gasrichtlinie galt bis zuletzt als
unwahrscheinlich. Mit dem Kurswechsel Frankreichs dürften sich die
Mehrheitsverhältnisse in der EU aller Voraussicht nach entscheidend
verändern und zu einer Annahme der Richtlinienvorschläge führen.

Für die hinter dem Pipeline-Projekt stehende Bundesregierung und die
Bauherren wäre dies ein schwerer Schlag. Die 1200 Kilometer lange
Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist nämlich bereits im
Bau und soll eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen.

Aus Paris hieß es am Freitag, es liefen noch Verhandlungen über eine
mögliche Änderung des Textes. Aus der Bundesregierung war zunächst
keine Stellungnahme zu der offiziellen Ankündigung aus Paris zu
erhalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in der slowakischen Hauptstadt
Bratislava lediglich, es sei nichts Neues, dass es hierzu
unterschiedliche Meinungen gebe. Sie sehe nicht, dass sich
Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von
Russland begeben. Deutschland wolle ja auch Anlagen einrichten für
Flüssiggas aus den USA.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte überraschend seine
Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche
ab. Aus Kreisen des Präsidialamtes in Paris hieß es allerdings, die
Entscheidung habe nichts zu tun mit dem aktuellen Streit über die
EU-Gasrichtlinie.

Zuerst hatte die «Süddeutsche Zeitung» über die Auseinandersetzung

zwischen Berlin und Paris berichtet. Sie zitierte französische
Regierungskreise mit den Worten: «Wir wollen nicht die Abhängigkeit
von Russland verstärken und dabei noch den Interessen von EU-Ländern
wie Polen und der Slowakei schaden.»

Als eine mögliche Erklärung für die neue französische Positionierun
g
gilt der zuletzt noch einmal gestiegene Druck der USA. In Washington
wurden neue Russland-Sanktionen in Erwägung gezogen, die auch den in
Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten.

Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen
Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten.

Paris nimmt mit der Zustimmung zum Regulierungsprojekt in Kauf, dass
es zu einem schweren Streit der für die EU zentralen Partner
Deutschland und Frankreich kommt. Seit seinem Amtsantritt hatte
Staatspräsident Emmanuel Macron stets die enge Partnerschaft mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. Erst am 22. Januar hatten beide
mit dem Vertrag von Aachen einen neuen Freundschaftspakt
unterzeichnet - und sich ihrer gegenseitigen Unterstützung
versichert.

Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter
Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei
nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits
370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt. Die
baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre
Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von
Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.

Die deutsche Wirtschaft warnte eindringlich davor, das
Erdgas-Pipelineprojekt 2 in Frage zu stellen. «Wir halten es für sehr
bedenklich, dass ein ökonomisch sinnvolles Projekt, an dem
Unternehmen aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch aus
Frankreich, finanziell beteiligt sind, aufgrund sachfremder
politischer Erwägungen und anhaltendem Druck aus den USA in Frage
gestellt wird», sagte Wolfgang Büchele, Vorsitzender des
Ost-Ausschusses - Osteuropavereins der deutschen Wirtschaft, am
Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

«Die von den USA behauptete und nun offenbar auch in Paris
befürchtete Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen ist
ein Mythos», sagte Büchele. Zwar stammten derzeit rund 30 Prozent des
Erdgases in der EU aus russischen Quellen, allerdings habe Gas
insgesamt nur einen Anteil von unter zehn Prozent am europäischen
Energiemix.

Die EU-Kommission hatte die Änderung der Gasrichtlinie schon im
November 2017 vorgeschlagen. Seitdem liegt sie wegen der Blockade
Deutschlands und einiger anderer EU-Länder auf Eis.

Nord Stream hatte schon kurz nach dem Vorstoß der Kommission mit
Schadenersatzforderungen gedroht, falls die Rechtslage nachträglich
zuungunsten des Unternehmens verändert werden sollte. Inzwischen hat
die Gazprom-Tochter in die Leitung bereits Milliardenbeträge
investiert.

Rechtliche Vorbehalte gegen die Pläne der Kommission hatte im März
2018 auch der juristische Dienst des EU-Rats geäußert. Die EU habe
nicht die Kompetenz, das entsprechende Recht auf Pipelines
auszudehnen, die die Ausschließliche Wirtschaftszone von
EU-Mitgliedsländern auch in Meeren durchqueren, hieß es.