Pegel: Gaspipeline Nord Stream 2 kein politischer Spielball

08.02.2019 06:00

Der Streit um den Bau der Erdgasleitung Nord Stream 2, die in Lubmin
bei Greifswald deutschen Boden erreicht, droht zu eskalieren. In der
EU zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab, das Projekt stärker an die
Leine zu legen. In Mecklenburg-Vorpommern trifft das auf Kritik.

Schwerin (dpa/mv) - Unmittelbar vor der für Freitagnachmittag in
Brüssel geplanten Abstimmung über die Änderung der EU-Gas-Richtlinie

hat Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister Christian Pegel (SPD) vor
künstlichen Hürden für das Gasleitungs-Projekt Nord Stream 2 gewarnt.

«Ich halte es für unverantwortlich, ein Infrastrukturprojekt der
europäischen Energiewirtschaft zum politischen Spielball zu machen»,
sagte Pegel in Schwerin. Der Bau der Pipeline sei in einem
rechtsstaatlichen Verfahren genehmigt worden. Deshalb gehe er davon
aus, dass es weiterhin umgesetzt werde. «Wir brauchen eine gesicherte
Gasversorgung in Europa. Und wir brauchen einen vernunftgetragenen
wirtschaftlichen Dialog mit den russischen Partnern», betonte Pegel.

Die überraschend auch von Frankreich unterstützte neue Gas-Richtlinie
würde den Angaben zufolge der EU-Kommission ermöglichen, das
Pipeline-Projekt deutlich strenger zu regulieren. Zusätzliche
Auflagen könnten die Unternehmung weniger profitabel oder sogar
unwirtschaftlich machen, hieß es. Die von Brüssel geplante Änderung
sieht eine Trennung der unternehmerischen Verantwortung von
Gaslieferung und Netzbetrieb vor. Bei Nord Stream 2 liegt beides in
der Hand des russischen Energiekonzerns Gazprom.

Die US-Botschafter in Deutschland, Dänemark und bei der EU riefen
Partnerländer Deutschlands auf, die Änderung der EU-Gasrichtlinie zu
unterstützen. Als Begründung wurde die Gefahr einer zu großen
Abhängigkeit von Russland in Energiefragen genannt. Neben den USA
betrachten auch osteuropäische Länder das Milliardenprojekt kritisch.
Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse durch die Ostsee
als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust
von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.

Doch ungeachtet der internationalen Kritik befürwortet die
Bundesregierung das Projekt und versuchte bislang, die Änderung der
Gas-Richtlinie zu unterbinden. Die 1200 Kilometer lange Leitung durch
die Ostsee ist im Bau und wird den Plänen zufolge Ende 2019
fertiggestellt. Sie soll im wesentlichen parallel zum Doppelstrang
Nord Stream 1 verlaufen, durch den seit 2011 russisches Gas nach
Deutschland strömt. Anlandepunkt ist jeweils Lubmin bei Greifswald.

Nach Überzeugung Pegels trägt Deutschland durch die Erweiterung der
Ostsee-Pipeline und die transnationale Weiterleitung des russischen
Erdgases zur gesamteuropäischen Energiesicherheit bei. Nord Stream 1
mit einer Jahreskapazität von 55 Milliarden Kubikmeter stoße bereits
an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. «Und wir wissen, dass wir
trotz des Umstiegs auf erneuerbare Energien Gaskraftwerke benötigen
werden als Alternative für die Energiequellen Kohle und Atomkraft,
von denen wir uns perspektivisch verabschieden werden», erklärte
Pegel.

Sollte es am Freitag bei einer Abstimmung im Kreis der zuständigen
EU-Botschafter grünes Licht geben, könnte die neue Richtlinie noch
vor der Europawahl endgültig beschlossen werden. Im Europaparlament
gibt es eine klare Mehrheit dafür. Die deutsche Wirtschaft warnte
aber eindringlich davor, Nord Stream 2 in Frage zu stellen. Ein
ökonomisch sinnvolles Projekt, an dem Unternehmen aus mehreren
europäischen Ländern, darunter auch aus Frankreich, finanziell
beteiligt seien, dürfe nicht aufgrund sachfremder politischer
Erwägungen und anhaltendem Druck aus den USA in Frage gestellt
werden, hieß es.

Neben Pegel verteidigten weitere Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern
die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2. «Offenbar lassen
sich einige Staaten von den immer aggressiveren Drohgebärden
beeindrucken. Doch Fakt ist und bleibt, dass die Argumente der
Sicherheit und Versorgungsunabhängigkeit Europas nur als
Deckmäntelchen für wirtschaftliche Interessen benutzt werden. Die USA
fürchten um einen riesigen Absatzmarkt für ihr teures Fracking-Gas.
Das ist alles, was hinter der Forderung nach einem Baustopp steht»,
erklärte die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Landtag, Mignon Schwenke.

AfD-Landeschef Leif-Erik Holm wertete die geplante Änderung der
EU-Gasrichtlinie als weiteren Versuch, «das absolut sinnvolle
Energie-Projekt Nord Stream 2 zu torpedieren». Bei der Abstimmung in
Brüssel werde sich zeigen, wie eng die vielbeschworene Freundschaft
zwischen Deutschland und seinem Nachbarn Frankreich wirklich ist,
sagte er.