Pipeline-Streit: Kompromissvorschlag von Deutschland und Frankreich

08.02.2019 13:40

Der Streit über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist zu einer
schweren Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen
geworden. Nun liegt ein möglicher Kompromiss auf dem Tisch.

Brüssel (dpa) - Im europäischen Streit über die russisch-deutsche
Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 haben Deutschland und Frankreich einen
Kompromissvorschlag vorgelegt. Er soll es nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur ermöglichen, zusätzliche Auflagen zu
erlassen, ohne die Zukunft des Milliarden-Projekts infrage zustellen.
Ob der Vorschlag für die Änderung einer EU-Richtlinie von genügend
anderen EU-Staaten unterstützt wird, war zunächst unklar. Aus
EU-Kreisen hieß es am Mittag, die Gespräche liefen noch.

Frankreich hatte sich in dem Streit am Donnerstag öffentlich gegen
Deutschland gestellt. Das Thema war damit zu einer schweren
Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen geworden.

Die Beratungen über die Pläne zur Überarbeitung der Gasrichtlinie
begannen am Freitagmittag um kurz vor 13 Uhr. Sie werden von den
ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel geführt. Ob es
zur Abstimmung kommt, war zunächst unklar.

Deutschland drohte im Streit über den Bau der 1200 Kilometer langen
Leitung, die schon zu gut einem Viertel gebaut ist, zuletzt eine
schwere Niederlage. Viele EU-Staaten wollen die EU-Gasrichtlinie
nämlich so ändern, dass der Bau über zusätzliche Auflagen gestoppt

werden könnte. Überraschend hatte Paris am Donnerstag angekündigt,
der Änderung zustimmen zu wollen.

Die Befürworter einer Richtlinien-Änderung argumentieren, dass die
Leitung die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland
unnötig verstärke und den Interessen osteuropäischer EU-Staaten und
Partnerländern wie der Ukraine schade. Letzteres ist dadurch zu
erklären, dass russisches Gas bislang durch Osteuropa in Richtung
Westen geleitet wird. Länder wie die Ukraine und Polen verdienen
daran über sogenannte Durchleitungsgebühren viel Geld.

Für die hinter dem Pipeline-Projekt stehende Bundesregierung und die
Bauherren wäre die Änderung der Gasrichtlinie in der ursprünglich
geplanten Fassung ein schwerer Schlag. Die Ostsee-Pipeline von soll
eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen. Zusätzliche Auflagen könnten
das Projekt weniger profitabel oder sogar unwirtschaftlich machen.

Vorgesehen ist zum Beispiel, dass ein Gaslieferant nicht gleichzeitig
Betreiber einer Leitung sein darf. Bei Nord Stream 2 ist dies bislang
der Fall. Das Projekt wird von dem russischen Energiekonzern Gazprom
gesteuert.

Gibt es beim Treffen Treffen der ständigen Vertreter der 28
Mitgliedstaaten eine Mehrheit für die Änderung der Gasrichtlinie,
dürfte sie bereits vor der Europawahl endgültig beschlossen werden.
Noch notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament gelten als
Formalie, da es dort eine klare Mehrheit für das Projekt gibt.

Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter
Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei
durch die Ostsee nach Deutschland transportiert werden können. Die
baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre
Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von
Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.

Die USA warnen vor einer zu großen Abhängigkeit Europas von Russland.
Zudem wollen sie selber Gas in Europa verkaufen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der slowakischen
Hauptstadt Bratislava am Donnerstag entgegnet, sie sehe nicht, dass
sich Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit
von Russland begeben. Deutschland wolle ja auch Anlagen einrichten
für Flüssiggas aus den USA.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte die Bedeutung
von Gas für die Energieversorgung. In Deutschland werde in den
kommenden Jahren in einer «Übergangszeit» mehr Gas benötigt, sagte

Altmaier in Wiesbaden. Er verwies auf den Ausstieg aus der
Kernenergie bis 2022 sowie den geplanten schrittweisen Ausstieg aus
dem Kohlestrom. Altmaier wollte sich nicht zum europäischen Streit
über neue Rechtsvorschriften gegen Nord Stream 2 äußern. Er könne
dies erst tun, wenn ein Ergebnis vorliege.

Kremlsprecher Dmitri Peskow wies Ängste in der EU vor einer zu großen
Abhängigkeit von russischem Gas zurück. Das Projekt nütze vielmehr
gleichermaßen beiden Seiten - Russland und der EU, sagte Peskow der
Agentur Interfax zufolge. Der Import von russischem Gas sei für die
EU-Staaten sicher und viel günstiger als etwa die von den USA
geplanten Lieferungen von kostspielig produziertem Flüssiggas.
Russland beobachte die Lage um die mögliche Änderung der
EU-Gasrichtlinie sehr genau.